Entertainment oder Aktivismus? – „Hair“ im Deutschen Theater (Bericht)

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Ein politisches Musical für Frieden und Liebe und gegen den Vietnamkrieg? „Hair“ ist seit dem 14. Juli 2023 wieder im Deutschen Theater zu sehen. Aus welchem Jahr ist das nochmal? 2022? Als in Europa wieder Krieg ausbrach?
Nichts da. Broadway-Premiere hatten das Musical von Gerome Ragni und James Rado 1968. Das Premierenpublikum der älteren Generation kann sich noch an die Zeit erinnern, als auch in Deutschland der Kalte Krieg schwelte. Zu dieser Zeit war ein Ausdruck von Rebellion und politischem Widerstand, langes Haar zu tragen und Joints zu rauchen.

© Susanne Brill

Als das Musical damals in München aufgeführt wurde, war es ein Skandal. Heute sind lange Haare für jeden gar kein Thema mehr und Cannabis soll legalisiert werden. Wer also heute wieder in die „Hair“-Premiere kommt und das Stück damals auch schon gesehen hat, kann sich freuen, weil das, wofür man früher rebellieren musste, heute Normalität ist – also alles gut oder? Leider nicht. Denn der Krieg ist wieder da und wer heute für eine bessere Welt protestiert, riskiert beim Sitzen auf der Straße, von LKWs überrollt zu werden. Und was kann ein Musical da schon ausrichten?

Eine Menge! Natürlich ist die Inszenierung dieses Mal kein Skandal, sondern eine Hommage an die ‚Zeiten von damals‘. Heute ist es für uns leicht, das als Lifestyle zu glorifizieren, was damals politischer Kampf war. Das ist Regisseur Andreas Gergen klar. Daher bringt er die heutige Art zu protestieren, Fridays for Future, mit ein und macht klar: auch heute gilt es zu kämpfen. Seit Sittlichkeit kein Thema mehr ist, mit dem man irgendwen vor dem Ofen hervorlockt, ist es natürlich schwer, skandalöses Aufsehen zu erzielen und so durch einen Theaterabend ein politisches Statement zu setzen. Doch ‚Hair‘ schafft etwas anderes. Die Inszenierung macht dem Publikum klar: Man kann sich mit ernsten Themen befassen und dabei zugleich Spaß haben. Das kann helfen, da politischer Aktivismus leider derzeit sehr wenig mit Spaß zu tun hat.

© Susanne Brill

Dieses Stück ist daher ein positives Statement, das zeigt: Wir sind nicht die erste Generation, die sich mit Aktivismus befasst, die in einer Welt lebt, in dem Krieg herrscht. Doch für die vorangegangene Generation ist heute Normalität, wofür man früher gekämpft hat – das macht doch Mut! Ebenso ist es ein Abend voller Spaß. Die ikonischen Songs aus dem Rock-Musical rufen die Energie hervor, die man spürt, wenn man die Welt aus den Angeln heben will.
Außerdem macht das Salzburger Landestheater, mit dessen Kooperation die Inszenierung realisiert wurde, auch selbst auf dem Weg in eine gerechtere Welt viel richtig. Denn der Cast des Abends ist sehr divers und zeigt Darsteller*innen und Zuschauer*innen. Auf dieser Bühne ist Platz für Alle, vor allem für Ensemblemitglieder vom Salzburger Landestheater und zugleich für Darsteller*innen aus der Musicalszene.

„Hair“ und auch dessenNeuinszenierung ist ein starkes Statement vom Deutschen Theater. Um zu zeigen: Wir wollen Menschen begeistern und unterhalten, aber auch berühren und zum Nachdenken bringen, was an diesem Abend auf jeden Fall gelingt!

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