Stefan Zweigs umfangreiches literarisches Werk prägt nicht selten eine ganz eigene Art der Schwermut und drückt die pessimistische Grundstimmung aus, die den Autor bis zu seinem Tode im brasilianischen Exil umgab. Seine Bearbeitung der Komödie „Volpone“, die auf den englischen Dichter Ben Jonson zurückgeht, ist daher sicher kein typisches Stück Zweigs, stellt aber zweifellos eines der Höhepunkte seines künstlerischen Schaffens dar. In Anlehnung an die Commedia dell’Arte wird es sein erfolgreichstes Bühnenwerk.
Abdullah Kenan Karacas Inszenierung am Münchner Volkstheater lässt nun das Stück und den Geist dieser italienischen Theatervariante wiederauferstehen. Die Fabel vom hungrigen Fuchs, der sich totstellt, um seine Leichenfledderer zu verspeisen, wird hier durch den reichen Kaufmann Volpone (Silas Breiding) adaptiert. Er simuliert den Sterbenskranken, um sich an den Erbschleichern, die sich wie Aasfresser um ihn versammeln, zu bereichern. Die Fäden hält dabei jedoch ein anderer in der Hand – sein Diener und Kumpan Mosca.
Mit List und Tücke gelingt es dem Gehilfen die „edle“ Gesellschaft Venedigs in ihrer Gier nach Reichtum und immer mehr Reichtum anzutreiben und gegeneinander auszuspielen.
Dabei ist Mosca, im passenden Kostüm des Harlekins, eine Gestalt der permanenten Ambiguität, großartig in Szene gesetzt von Jakob Immervoll. Mit seiner exzentrischen Leiblichkeit und seinem opportunistisch wirkenden Gehabe, mit dem er in Wahrheit sein Umfeld lenkt, entlarvt die Dienerfigur die Machenschaften und Motive der Herrschaften und appelliert dabei fortwährend an deren niederste Instinkte. Trotz aller Amoralität avanciert Mosca dabei zum absoluten Publikumsliebling. Für die Rollen des alten und besonders habgierigen Corbaccio (Peter Mitterrutzner), des eifersüchtigen Corvino (Jonathan Hutter) und dessen herrisch auftretender Frau Colomba (Carolin Hartmann) hingegen, lassen sich kaum Sympathien entwickeln. Dennoch sind ihre Stereotype überzeugend arrangiert und geben genügend Anlass zum (Ver-)Lachen. Mit Nina Steils und ihrer Figur der ständig kokettierenden Canina wird zudem der freche, frivole Charakter der Komödie besonders betont.
Neben dem starken Auftritt des Ensembles weiß Karacas „Volpone“ auch in atmosphärischer Hinsicht auf ganzer Linie zu überzeugen. Die exzellente Masken- und Kostümauswahl macht die besonders expressive Darstellungsform der Bühnenakteure überhaupt erst möglich und sorgt dafür, dass tatsächlich ein Hauch der klassischen Commedia dell’arte in der Luft liegt. Auch der häufige Einsatz der Musik wirkt sehr pointiert und stimmig, so reicht die Bandbreite der Lieder von Händels „Lascia ch’io pianga“ bis zu Sinatras „The girl from Ipanema“, ohne dass auch nur ein einziger Titel deplatziert erscheint. Das Bühnenbild, zumeist in hellblauem Licht getaucht, kommt mit dem Notwendigsten an Ausstattung und Dekoration aus und beschränkt sich auf wenige Requisiten, wie die Geldtruhe mit den vermeintlichen Reichtümern Volpones und das Bett des Simulanten. Dazu umrahmt ein Meer von Trauerfloristik die Szenerie auf der Guckkastenbühne, das die Geschehnisse ironisch und zynisch kommentiert. Diese wenigen Elemente genügen, um den Eindruck eines harmonischen Gesamtbildes noch zu verstärken.
Fazit: „Wie groß ist die Magie des Geldes?“ Ob eine solche Frage heute noch im Theater erörtert werden muss, darüber lässt sich streiten. Unbestreitbar ist jedoch die Magie des klassischen Theaters. Dass auch heutige Inszenierungen wenigstens einen Teil dieses Zaubers wiederbeleben können, beweist jetzt „Volpone“ am Münchner Volkstheater.
Folge-Vorstellungen: 05./10./25.12., 02./08./21.01.
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