Vom Wiederkommen und Bleiben – „Finalissimo“ im Gärtnerplatztheater (Kritik)

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Über 70 Vorstellungen hat das Gärtnerplatztheater seit der Wiedereröffnung am 15. Juni 2020 gespielt, anfangs noch mit kleinen Formaten auf der Bühne, mittlerweile auch wieder im großen Saal selbst. Egal ob die Kammeroper „Die Kluge“ oder zwei Ballett-Uraufführungen „Metamorphosen I“ und „Metamorphosen II“ – das Musiktheater-Haus wollte spielen. Für das Publikum, für die Kultur. Aber auch vor der Coronakrise wurde mit 90% Auslastung das Jahres-Soll schon im März erreicht – eine erfolgreiche Saison mit spannenden Premieren und altbekannten Klassikern. Selbst wenn die Kapazität im weiteren Jahr 2020 wohl auf maximal 250 Besucher beschränkt sein wird und auch auf der Bühne Abstand gewahrt werden sollte – die kommende Spielzeit wird rein vom Jubel und der Freude der Zuschauer daran anknüpfen. Nun gilt es aber die vergangene Spielzeit zu feiern und erfolgreich abzuschließen. „Finalissimo“ heißt das Gala-Konzert am 23. Juli 2020. „Das Beste kommt zum Schluss“.

© Marie-Laure Briane

Vier Minuten und drei Sekunden habe es gedauert, dann war die Vorstellung ausverkauft, erzählt Intendant Josef E. Köpplinger. Rekord! Natürlich ist so eine Abschlussgala im regulären Betrieb schon rasend schnell ausverkauft, bei so verminderter Kapazität erst recht, selbst in Pandemie-Zeiten. Auch allerlei Münchner Prominenz, von den Kessler-Zwillingen bis zum Kulturminister Bernd Sibler, wohnen dem Spielzeitfinale bei. Das gestaltet sich letztendlich aus einem Best-Of der drei Konzertprogramme, die das Opern-, Operetten- und Musicalfach seit dem 17. Juni repräsentieren. Für fleißige Gärtnerplatztheater-Fans also nichts Neues, aber dennoch ein schöner Zusammenschnitt dieser Kultur-Rückkehr. Mit etwas über 20 Personen ist das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz zwar nur so zahlreich besetzt, wie es der Abstand ermöglicht, aber sie spielen sich gekonnt durch die verschiedenen Sparten des Musicalfachs und kommen bestens mit dem fliegenden Wechsel der Dirigenten klar. Zumeist, aber vor allem beim Opernfach am Pult: Musikdirektor Anthony Bramall.

© Marie-Laure Briane

Ansonsten präsentieren sich die festen Solist*innen am Haus mit den Höhepunkten der letzten Wochen. So darf man noch einmal „Wie kann es möglich sein?“ aus dem Musical „Mozart!“ lauschen, das Erwin Windegger gekonnt und tonsicher vorträgt, aber auch das imposante und viel zu unbekannte „Freunde, das Leben ist lebenswert“ von Franz Lehár fehlt nicht; gleich zu Beginn heimst Lucian Krasznec zurecht großen Jubel ein. Einen Ausflug zu den „Herzensbrechern“, also dem Konzertprogramm der fünf GPT-Tenöre, folgt übrigens leider nicht. Dafür gibt es ein wahres Koloraturen-Feuerwerk von Jennifer O’Loughlin, die in Donizettis „O luce di quest‘ anima“ ihre Parade-Arie gefunden zu haben scheint. Brava! Insgesamt bewegt sich der Abend auf extrem hohem Niveau, die Unterschiede in den Darbietungen sind minimal und höchstens eigene Geschmackssache – musikalisch ist es ein Feuerwerk, wie man es sich vor ein paar Monaten nur erträumen konnte.

Spätestens beim Schlussapplaus gibt es dann aber doch das Abstandsproblem, weshalb jede Gruppe einzeln die Bühne betritt, um so etwaiges Zu-Nahe-Kommen zu vermeiden. Eher spielerisch nähern sich die Solist*innen sonst den Hygienevorschriften bei Duetten oder mehrstimmigen Werken. Aber auch dieser Herausforderung wird sich erfolgreich gestellt und mit „There’s No Business Like Show Business“ folgt die vielleicht konsequenteste Zugabe in dieser Zeit. Das Gärtnerplatztheater glänzt mit einer irrsinnig großen Vielfalt des Musiktheaters auf hohem Niveau, egal ob vor 50 oder 900 Personen im Publikum. Wie der Klassiker „Im weissen Rössl“ oder das quietschbunte Musical „Priscilla – Königin der Wüste“ im September dann aussehen sollen und ob wirklich drei Stunden am Stück durchgespielt wird, bleibt noch ein für alle unbeantwortetes Fragezeichen – bis dahin bedanken wir uns für ein großartiges Programm in weniger großartigen Zeiten und ziehen den Hut vor so einem wunderbaren Abend. Arrivederci!

Kritik: Ludwig Stadler