Der Wahnsinn dreht sich – „Fester Samstag II“ in der Staatsoper (Kritik)

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35 Minuten dauern die „Eight Songs For Mad King“ von Peter Maxwell Davies mit Applaus, nur minimal länger als der Einlass selbst. Und dennoch: es lohnt sich, diesem kurzen Vergnügen seine vollste Aufmerksamkeit zu schenken. Die Bayerische Staatsoper nimmt sich diesem Monodrama für Bariton und sechs Instrumenten zu ihrem zweiten „Festen Samstag“ an, in dem vorrangig Ensemble-Mitglieder für kurzes, kleines Programm am Wochenende sorgen. Die Premiere vergangene Woche mit den Jedermann-Monologen, gesungen von Michael Nagy, waren ein großer Erfolg, nun also der deutlich experimentellere, wenngleich auch für dieses Format unfassbar passende Davies. Einige Plätze bleiben an der zweiten Vorstellung an diesem 13. Juni 2020 zwar eigenartigerweise leer, aber dennoch: die Maske sitzt, es kann losgehen.

© Wilfried Hösl

Schmeichelnde Wohlklänge wie in der Vorwoche sind allemal nicht zu erwarten, Peter Maxwell Davies Werk stammt aus seiner expressionistischen Kompositionszeit Ende der 1960er-Jahre. Dafür ist die provisorische Bühne mit sechs Instrumentalisten und Dirigent Olivier Tardy reichlich bestückt, was sich, trotz Abstand, doch recht natürlich umsetzen lässt. Holger Falk, dem der alles überschattende Gesangspart zugrunde liegt, schreibt noch vor Beginn „LET US TALK“ an die Trennwände, bevor er wieder verschwindet und als mumifiziert anmutender Schleichender auf einem Thron hinter den Zuschauern Platz nimmt. Das Spiel mit dem gesamten Raum erweist sich als roter Faden in der szenischen Einrichtung von Andreas Weirich, der bereits in der Vorwoche mit geringsten Mitteln eine gelungene Inszenierung verwirklicht hat. Falk rast also nicht nur einmal im Kreis um den Zuschauerraum und jagt Flötistin Andrea Ikker hinterher, anschließend klettert auf einer Leiter herum oder singt mit Glitzermantel in den leeren Staatsopernsaal. Vom imposanten Kronleuchter hängt eine Discokugel, die natürlich ihren Zweck erfüllt und den Zuschauerraum kurzzeitig in eine (Schein-)Disco verwandelt.

© Wilfried Hösl

Dass Falk die Violine zerschlägt, ist da noch das geringste, denn es steht sogar im Stück selbst festgeschrieben. Die Noten, insbesondere im Gesang, sind bei „Eight Songs For A Mad King“ wahrlich eine Herausforderung, es geht an die Grenzen des Singbaren, dann wieder in die vertraute Bariton-Stimme und mündet am Ende im Erzählermodus. Währenddessen wird ein gewisses Schauspieltalent vorausgesetzt, dass Falk absolut mitbringt und daher so sehr glänzt, dass es beim Applaus stehende Ovationen gibt – zurecht! Denn was in der Oper oft abhanden kommt, ist in all der Musik das ausgeklügelte Schauspiel, welches entweder aufgrund der Entfernung oder auch oftmals aufgrund der Besetzung mehr zum Konzert vor Bühnenbild als zu einem vollumfänglichen Theatererlebnis wird. Vielleicht sind eben genau diese kleinen Formate nun gut, um die Opernliebhaber das Essenzielle direkt vor den Augen vereint zu sehen: musikalisches und schauspielerisches Talent der Extraklasse. Die Maske vergisst man doch irgendwann, und fast könnte man meinen, es wäre nur eine kleine Sonderreihe, doch dann klopft Dirigent Tardy seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern aus Reflex lobend auf den Rücken und tadelt sich sofort selbst. Ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten – und zukünftigen.

Kritik: Ludwig Stadler