Eng miteinander verbunden sind die Namen Robert Schumann und Johannes Brahms ja allein schon wegen ihrer beider Liebe zu Clara Schumann. Doch auch musikalisch einte sie unter anderem die Ablehnung der Neudeutschen Schule und der Programmmusik. Kent Nagano stellt am 28. Februar 2020 in der Philharmonie Schumanns 3. Symphonie der 1. von Brahms gegenüber, Orchester des Abends ist das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin.
Schumanns 3. Symphonie mit dem Beinamen „Rheinische“, die im Rahmen des Umzugs der Familie Schumann nach Düsseldorf entstand, beginnt Nagano bei weitem nicht so euphorisch, wie der bipolare Schumann damals gewesen sein dürfte, die gezügelte Lautstärke verhindert den überschwänglichen Charakter des prächtigen Eingangsthemas. Der Dirigent, der den Detailreichtum von Schumanns symphonischen Werken so schätzt, arbeitet verstärkt mit den Bläsern und setzt so interessante Akzente. Grundsätzlich ist sein sehr eleganter Dirigatsstil diesem leidenschaftlichen ersten Satz, der gewissen Übermut verlangt, allerdings eher hinderlich.
Die Polyphonie der Streicherstimmen im zweiten Satz verdeutlicht Nagano dann wie wenige andere, effektvoll überraschend taucht plötzlich die Cellostimme mit dem Thema wieder auf. Der dritte Satz gelingt sehr empfindsam, mit gefühlvollen Klarinettensoli und den angenehm vorsichtig agierenden Streichern des DSO. Ein allzu eiliges Fortschreiten im vierten, mit der Bezeichnung „Feierlich“ überschriebenen Satz schmälert die Wirkung der Hörner und Posaunen zu Beginn ein wenig, bereitet im Folgenden aber dem marschartigen Finale den Weg, ohne einen zu harten Bruch zwischen sakralem und ausgelassen heiterem Charakter. Der große Spannungsbogen ist auf jeden Fall da, wie der letzte Satz dann zeigt. Er steigert sich noch einmal in sich selbst und lässt erahnen, was vorher trotzdem schon möglich gewesen wäre.
Nach der Pause folgt also Brahms‘ Debütsymphonie. Sie beginnt hier mit einem ungeschriebenen, aber wirkungsvoll zähen Crescendo der chromatischen Eingangslinie bis zum Höhepunkt der Phrase. Noch gewaltiger wird die spätere Wiederholung des Satzanfangs. Und auch der Rest der Symphonie steht ganz im Zeichen der auf- und abschwellenden Dynamik. Nagano und das DSO bauen die Spannung stets gekonnt auf – und halten sie aber auch konsequent durch. Vereinzelt holpert es im Rhythmus bei den Tempowechseln, doch nach kurzer Unentschlossenheit sind die gestochen scharfen Streicher wieder vereint.
Die lyrischen Soli im Andante sostenuto bekommen den ihnen gebührenden exponierten Platz zwischen den abwechselnd düsteren und klagenden Streicherpassagen, ohne abgesetzt zu wirken. Harmonisch abgetönte Klangfarben schaffen schöne gegenseitige Übernahmen von Streichern, Klarinette und Horn im dritten Satz. Bei den hölzernen Rhythmen der Geigen unter den Holzbläsersoli nimmt Nagano deren Lautstärke angenehm zurück, vermeidet so die vielgehörte Schroffheit dieses Parts.
Die Pizzicato-Abschnitte des Finalsatzes werden mit höchster Aufmerksamkeit musiziert. Das markante Hornsolo verschafft sich langsam hervortretend Gehör. Ähnlich aufmerksamkeitsheischend, weil so organisch gespielt, ist die gegenseitige Übernahme von Posaune und Horn danach. Extrem voll erklingt dann das hymnisch – und auch beethovenesk – anmutende Hauptthema in den Streichern. Insbesondere in den hohen Lagen setzen die Violinen des DSO feurige Akzente, ihrer sportlichen Bogenführung sei Dank – von an den Saiten klebenden Bögen keine Spur. Das choralartige Ende gelingt umwerfend triumphal und beschließt auch das Ende einer selten gehört temperamentvollen Brahms-Interpretation.
Kritik: Bea Mayer