Pushed Again – Die Toten Hosen in der Olympiahalle (Bericht)

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Man kann es fast schon als kulturelles, generationenübergreifendes Großereignis bezeichnen: Die Toten Hosen sind wieder in München! Rund 4,5 Jahre (wenn man das Projekt mit Gerhard Polt und den Well-Brüdern mal vergisst) hat es gedauert, bis die Herren aus Düsseldorf sich wieder mit E-Gitarre und etlichen Liedern in die Olympiahalle wagen – am Dienstag, 19. Dezember 2017, war es wieder soweit. Menschenscharen aller Altersklassen warten ungeduldig am Eingangstor, als sich um 18:30 Uhr die Tore öffnen und sich schon einmal die besten Plätze gesichert werden. Die Halle füllt sich überraschend zögerlich, aber ist pünktlich zum Headliner des Abends rappelvoll.

Als Erstes dürfen aber die Nordmänner von Feine Sahne Fischfilet um 20 Uhr ran, die sogar von Hosen-Bassist Andi höchstpersönlich angekündigt werden. „Es geht los, es geht los, heute Nacht“ brüllt Sänger Monchi in das Mikrofon und startet damit nicht nur ihren Auftritt, sondern lässt nebenbei ihren Song „Zurück in unserer Stadt“ vom kommenden Album Live-Premiere feiern. Einige verdutzte Gesichter kann man im Publikum natürlich erkennen, als die Herren ihren Punkrock mit Trompeten und eventuell doch nicht allzu tonsicherem Gesang darbieten. Allerdings nimmt sich da der Frontmann in „Alles auf Rausch“ kurzerhand selbst auf die Schippe: „Ich kann immer noch nicht singen und spiel jetzt bei Rock am Ring“. Dass sie es auf Party abgesehen haben, sieht man allein schon an den unendlich vielen Bierflaschen, die ins Publikum wandern, außerdem auch an der einen oder anderen Bierdusche. Dabei dürften die Hosen sie vor allem wegen eines Grundes eingeladen haben: ihrer politischen Einstellung. Vor dem Song „Solange es brennt“ zögert Monchi nicht, eine ausführliche Ansage gegen Rassismus und Faschisten zu machen. Musikalisch findet der Auftritt nach etwas über 30 Minuten mit der Hymne „Komplett im Arsch“ ein gelungenes Ende.

Setlist: Zurück in unserer Stadt / Mit Dir / Solange es brennt / Geschichten aus Jarmen / Warten auf das Meer / Alles auf Rausch / Komplett im Arsch

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Klassiker wie „Song 2“ von Blur und „Blitzkrieg Bop“ von den Ramones stimmen bereits auf den Auftritt ein, als um 21:10 Uhr das Licht ausgeht und ein Jubel der Begeisterung durch die Olympiahalle tönt. Dass Die Toten Hosen aber sowas von wieder da sind, zeigen sie mit ihrem Opener „Urknall“. Bereits bei „Auswärtsspiel“, dem zweiten Song, startet die erste Fan-Aktion und im vorderen Innenraum-Bereich werden etliche Fahnen geschwungen. Später erscheinen zwei verkleidete Weihnachtsfrauen im Publikum, die von oben ein wenig Fake-Schnee verteilen, natürlich passend zu „Weihnachtsmann vom Dach“. Das kann selbst Campino nicht übersehen und wirft den beiden kurzerhand zwei Dosen Kaltgetränk zu. Allgemein bleiben das nicht die einzigen Dosen des Abends; der Hosen-Sänger und seine Mitmusiker scheinen sehr verteilfreudig zu sein. Bei einem so schweißtreibenden Konzert wie es die kommenden 155 Minuten werden sollten, auch kein Wunder.

Dabei schwingt den Hosen immer wieder der Begriff des „Kommerz“ und „Mainstream-Pop“ entgegen. Manche Lieder laufen auf den großen Radio-Stationen auf und ab, einige Besucher des Abends sind wohl auch nur aufgrund der üblichen Hit-Schlager aufgekreuzt. Von alldem merkt man beim Konzert aber reichlich wenig. Natürlich sind Nummern wie „Wannsee“ nicht die aufregendsten Live-Lieder, aber singt man einfach mit, machen selbst solche Titel Spaß. Bei „Tage wie diese“ hat sich kurzerhand eine Wall Of Death beachtlicher Größe ergeben, die beim Refrain aufeinander zuläuft. So kann man sich als Fan der härteren Songs auch etwas totgespielte Lieder wie dieses erträglich machen.
Sonderlich viele Anlässe zum Überbrücken sollte es glücklicherweise gar nicht geben. Sänger Campino löst diese Problematik gleich zu Beginn: „Manche wollen heute ein Best-Of hören, manche alte Stücke. Wenn jemandem ein Lied nicht gefällt, bitten wir einfach kurz um Geduld“. Von den alten Perlen darf man einigen lauschen, u.a. „Liebeslied“, „Wort zum Sonntag“ und auch sowas wie „Hofgarten“, was amüsanterweise mit der Ansage zu „Tage wie diese“ angekündigt wird.

In Sachen Performance macht den Musikern sowieso keiner mehr etwas vor. Selbst in den besten Fünfzigern rasen sie noch von einer Ecke zur anderen, werfen ihre Füße in die Luft und zeigen, dass sie vor allem eines haben: einen großen Haufen Spaß. Besondere Momente kreieren können sie dabei auch weiterhin, wenn sie beispielsweise einige Streicher und ihre Pianistin Esther auf die Bühne bitten, um Hosen-Klassiker wie „Willkommen in Deutschland“ und „Unsterblich“ zu performen. Kurzerhand kommen die Überraschungsgäste des Abends, die Well-Brüder aus dem Biermoos, noch dazu, sodass eine wahrlich einzigartige Version von „Das Mädchen aus Rottweil“ entsteht.
Beachtlich ist auch die Anzahl der Zugaben. Satte dreimal (!) kommen die Rheinländer wieder auf die Bühne, über 60 Minuten dauert der gesamte Encore-Block. Selbst nach dem obligatorischen Abschluss „You’ll Never Walk Alone“, wobei bereits der Großteil von seinen Plätzen aufsteht bzw. sich von den Stehplätzen entfernt, reicht es ihnen wohl immer noch nicht und es werden noch „Opel-Gang“ und „Paradies“ hinterhergeworfen. Mit „Azzuro“ erklingt dann aber wirklich das letzte Lied des Abends, bei dem alle noch einmal ihre letzten Kraftreserven auspacken und sich verausgaben.

Setlist: Urknall / Auswärtsspiel / Laune der Natur / Das ist der Moment / Alles mit nach Hause / Liebeslied / Bonnie & Clyde / Altes Fieber / Call Of The Wild / Wie viele Jahre (Hasta la muerte) / Wort zum Sonntag / Willkommen in Deutschland / Unsterblich / Pushed Again / Unter den Wolken / Steh auf, wenn du am Boden bist / Wannsee / Eine kleine Nachtmusik / Highway To Hell (AC/DC Cover) / Weihnachtsmann vom Dach / Alles was war / Wünsch DIR was / Hier kommt AlexZugabe 1: Eisgekühlter Bommerlunder / Alles passiert / Alles aus Liebe / Zehn kleine Jägermeister / Schönen Gruß, auf WiedersehenZugabe 2: Auld Lang Syne (Robert Burns Cover) / Hofgarten / Tage wie diese / Das Mädchen aus Rottweil / You’ll Never Walk Alone Zugabe 3: Opel-Gang / Paradies / Azzuro

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Fazit: Mit über 150 Minuten Konzert zeigen Die Toten Hosen selbst im fortgeschrittenem Alter immer noch, wer weiterhin ganz vorne im deutschsprachigen Rock dabei ist. Eine großartige Setlist mit einzigartigen Momenten, einer grandiosen Stimmung und einer noch besser aufgelegten Band. Wem noch einige Songs gefehlt haben, der kann am Folgetag wiederkommen (wie es sicherlich viele machen), denn so eine Instanz wie die Hosen schafft es problemlos, die Olympiahalle zweimal in Folge zu füllen. Und falls jemals wieder jemand die Herrschaften als „Pop-Schlager-Musik“ betitelt, der sei herzlich eingeladen, zweieinhalb Stunden im Moshpit zu verweilen.

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