Am 12. April 2018 feierte das Stück „Das Bildnis des Dorian Gray“ am Münchner Volkstheater Premiere. Der Roman von Oscar Wilde wurde von Eike Schönfeld ins Deutsche übersetzt und unter der Regie von Abdullah Kenan Karaca auf der Bühne verwirklicht. Karaca ist ein 1989 geborener Garmisch-Partenkirchener, der bereits 2009 durch Regieassistenz mit dem Münchner Volkstheater in Berührung kam und nun als fester Hausregisseur dort arbeitet.
„Das Bildnis des Dorian Gray“ ist eine Parabel über die Vergänglichkeit der Schönheit. Diese 1892 geschriebene Thematik ist aktueller denn je – gerade am Bodensee wird sich gerne das Alter weggespritzt und implantierte Schönheit kann, zwar teuer, aber erkauft werden. Das auffallend junge, von Selfie-Kultur geprägte Publikum wartet gespannt auf den Einlass zur restlos ausverkauften, kleinen Bühne des Volkstheaters.
Rhythmische Bässe untermalen das Eröffnungsbild. Dorian Gray ist Oleg Tikhomirov und er steht schwer atmend vor einem schwarz-goldgesprenkelten Bühnenbild. Die Immersion beginnt. Auf – und Abgang erfolgt stets durch einen Spalt am unteren Bühnenrand. Bei einigen Unterhaltungen sind nur die Füße der Protagonisten zu sehen. Rote High Heels diskutieren mit braunen Männerstiefeln. Ein klassischer Verfremdungseffekt à la Bertolt Brecht – mit grotesker Wirkung.
Der Maler Basil Hallward (Jakob Geßner) schafft das „beste Portrait der modernen Zeit“, doch „dieses Bild wird nie älter als an diesem Tag“, denn Dorian „selbst möge jung bleiben und das Portrait altern. Seine eigene Schönheit möge unbefleckt bleiben und das gemalte Gesicht auf der Leinwand die Last seiner Leidenschaften und Sünden tragen.“ Dieses makellose Äußere verleiht Dorian eine gefährliche Macht. Er wird skrupellos und ein kalter Verführer inmitten einer feinen Gesellschaft. Dandy Henry Wotton, gespielt von Pascal Fligg, überrascht mit seinen schmalen, schelmischen Äuglein und dem Bart um die dünnen Lippen, die ständig zynische Aphorismen und zündende Pointen ausstoßen und so die Lacher des Publikums auf seine Seite zieht.
Dorian verliebt sich in die Schauspielerin Sibyl Vane (Pola Jane O’Mara). Die wohl am häufigsten durchlebte Liebesgeschichte der heutigen Zeit. Er liebt sie – doch sobald sie ihn zurück liebt, verliert er das Interesse. Von seiner Zurückweisung getroffen begeht sie, durch das Schlucken von Blausäuregift, Selbstmord. Henry und Basil stehen Dorian als Teufel-Engel-Duo links und rechts zur Seite, während er den schmalen Grad zwischen Depression und Größenwahn bewandert. Nachdem er Basil tötet, beginnt der Albtraum. Die Toten suchen ihn heim und verfolgen ihn, schwarz und von Ölfarbe verschmiert. Seiner Seele wird jegliche Chance auf Frieden verwehrt. Der psychische und physische Zerfall des Dorian, beziehungsweise das seines Portraits, wird durch die großartige Idee der langsamen Zerstörung von Vincent Mesnaritsch gebauter Bühnenkulisse verbildlicht. Aschefetzen kleben gen Ende auf jedem Kostüm.
Absolut sehenswert, unterhaltend und ein doch zur Reflexion anregendes Stück.
Kritik: Carolina Felberbaum
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