Surrender Control – Comeback Kid im Backstage (Bericht)

Es ist ein kalt-feuchter Montagabend (der 20. November), eine Schlange am Eingang gibt es nicht, dafür noch Abendkasse. Die Halle des Backstage füllt sich nur zögerlich, im Hintergrund läuft AC/DC (R.I.P. Malcolm Young) rauf und runter, irgendwann schlurft Jordan Buckley über die Bühne, ein Bein in einer monströsen Schiene, einen Rollkoffer mitsamt Kopfkissen hinter sich herziehend. Das sieht alles nicht besonders vielversprechend aus – kennt Punk-Attitüde etwa einen blauen Montag?

© Natalie Wood
[Kunstpause] – Nein. Pünktlich um 19:00 Uhr stehen Higher Power auf der Bühne und von Sekunde eins an herrscht Bewegung im Publikum: In einem großen Halbkreis wird in wechselnden Besetzungen gemosht, mal mehr mal weniger, aber kontinuierlich. Dementsprechend bleiben die (nur) 20 Minuten, die sich die Band aus England die Ehre gibt, positiv in Erinnerung: Ihr unbeschwerter, bewusst unmoderner Hardcore, bei dem immer wieder psychedelische Elemente anklingen, funktioniert bestens, gerade als „Warmmacher“, für das, was da noch zu kommen hat.

Zunächst einmal kommen Knocked Loose. Hier wir mit sichtlich härteren Bandagen gekämpft, der Platz vor der Bühne füllt sich zunehmend mit zuckenden Gliedmaßen, vor allem mit langsamen Vorschlaghammer-Nummern machen die Herren aus Kentucky Eindruck, Freude und sich Freunde. Wobei von diesen schon ein erklecklicher Anteil vorhanden ist: Wenn Sänger Bryan Garris das Mikro in die Menge hält, kann er sich auf nicht wenige textsichere Antwortschreie verlassen. Verlassen werden Knocked Loose die Bühne nach einer knappen dreiviertel Stunde, um Platz zu machen für die Vizekönige dieses Tourpakets: Every Time I Die.

Gipsfuß und Kuschelkissen? Von wegen. Jordan Buckley kann auch einbeinig eskalieren, seine Bandmates sowieso und die F/Vans auch: Es brodelt gewaltig, während sich die Truppe durch ein tightes, ausdrücklich aggressiv ausgewähltes Programm prügelt. Sänger Keith Buckley befindet sich schreiend und singend in ausgesprochen guter Verfassung und in der Lage, erfolgreich dem Party-Geist seiner Zuhörerschaft ins Gewissen zu reden: „Braucht ihr eine Extraeinladung oder was? Das ist schließlich eine Hardcore-Show! Kommt auf die Bühne und habt Spaß!“ Gesagt getan, die Halle wird in ihrer ganzen Länge durchsurft und wer bei „Map Change“ nicht mitsingt, gehört (gefühlt) einer Minderheit an. Nachdem sich der eskalative Invalide (s.o.) auf Händen zur Tür hinaus hat tragen lassen, ist etwas Geduld vonnöten: Denn Comeback Kid soll ein besserer Sound zuteil werden als ihren Vorgängern.

Setlist: Underwater Bimbos from Outer Space / Floater / Decayin‘ With the Boys / Glitches / The Coin Has a Say / Petal / Bored Stiff / We’rewolf / INRIhab / Thirst / Map Change / Fear and Trembling

Was Every Time I Die‘s „Map Change“ ist, ist Comback Kid‘s „Somewhere Somehow“: Aber nicht nur den semi-hymnische Mitsing-Modus beherrschen die Kanadier: Bei in der Tat fettem Klang lassen sie nichts anbrennen, gerade die eher an der alten Schule orientierten Songs (z.B. „All in a Year“) zünden ordentlich, auch wenn hier weder von Band noch von Publikum so viel brutaler Druck nach vorne vorhanden ist wie bei Every Time I Die. Aber wer braucht schon Gewalt, wenn man Worte hat: „Ach, kommt doch näher, Leute! Ich sehe schon, hier sind einige „old farts“ wie wir und ich weiß, dass man im Alter auf die Entfernung besser sieht, aber tut mir den Gefallen.“  Wer will sich auf so sympathische Lockrufe nicht einlassen? Überhaupt besetzt die Band um Sänger (und vormals auch Live-Gitarristen) Andrew Neufeld die Bühne ohne Mühe und aufgesetztes Gehabe, bedankt sich ehrlich, zieht ihr Ding ohne jede Scheu und dadurch höchst einnehmend durch: Von Anfang bis Ende, etwas mehr als eine Stunde, keine Zugabe, fertig.

Setlist: False Idols Fall / Surrender Control / G.M. Vincent & I / Do Yourself a Favor / Somewhere, Somehow / Absolute / Wasted Arrows / Should Know Better / Talk Is Cheap / All in a Year / Hell of a Scene / Die Knowing / Lower the Line / Wake the Dead

Fazit: Ein deftiges Quadrupel wurde aufgefahren an diesem Abend, in vier knackigen Kapiteln machten Bands und Zuschauer das Beste draus: Gerne wieder – somewhere, somehow, ihr wisst schon…

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