The Longest Night – Amenra im Feierwerk (Bericht)

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https://cdn.metal1.info/wordpress/wp-content/uploads/2021/09/amenra-tour.jpeg?strip=all&lossy=1&sharp=1&ssl=1Am Mittwoch, den 28. September 2021, gastierte die mächtige Sludge-/Post Metal-Formation Amenra in der Kranhalle des Feierwerk – doch sie tat es nicht unter dem Vorzeichen ekstatischer, lawinös rollender Performance, wie zu früheren Gelegenheiten. Vielmehr stellte sich die belgische Genre-Speerspitze mit ihren vielen, sichtlich devoten Anhängern, zu einer intimen Akustik-Show vor sitzendem Publikum ein.

Amenra veröffentlichen im nunmehr endgültig vergangenen Sommer, ihr siebtes Album »De Doorn«, das erste, das nicht unter dem Banner »Mass« firmiert; und auch das erste, dessen Texte durchgehend in der flämischen Muttersprache der Bandmitglieder gehalten ist.

An diesem Abend werden sie jedoch nicht vornehmlich ihr neuestes Werk vorstellen, sondern ein eklektisches Set, das Songs aus einer ganzen Reihe von Alben enthält.

Bevor jedoch Amenra ihr Set beginnen, gilt es, nachdem alle Wer-sitzt-wo-Fragen geklärt und erste Geschäfte am reich gedeckten Amenra-Merch-Tisch getätigt wurden, dem ungarischen Sänger Dávid Makó alias The Devil’s Trade zu lauschen, der mit beeindruckender stimmlicher Gewalt und Vielseitigkeit seine melancholischen Songs vorträgt, die auf unbehauen hallenden Gitarrenakkorden oder Banjospiel (un-)ruhen. Während des Instrumentestimmens schießt Makó mit sonorer Stimme politische Pfeile in Richtung seines Heimatlandes. Eine Freude ist es, zu sitzen und zu lauschen.

Nach einiger Wartezeit erscheinen schließlich Amenra; sie sind zu sechst. Sie nehmen in Kreisform Platz, ganz in sich selbst und ihr gemeinsames Spiel eingekehrt. Interaktion mit dem Publikum gibt es wie immer keine. Das Gitarrenensemble ist heute noch um eine Geige erweitert. Sie beginnen ihr Set mit »Plus près de toi (Closer to You)« – und von der ersten Minute an ist jene besondere Stimmung da, die den Abend durchziehen wird: Etwas Klagendes und zugleich Bestärkendes ist diesen Songs zu eigen, resignativ und kämpferisch zugleich sind sie. Wie die Musiker da sitzen, im Zwielicht unter dem großen weißen T-Kreuz am Bühnenrand, da erscheinen sie wie Jünger Jesu, die sich an der verwaisten Kreuzigungsstätte zum gemeinsamen Trauern einfinden – oder wie die letzten Männer eines geplünderten Dorfes, die sich um ein Feuer scharen und den Wunsch nach Trost und Rache miteinander teilen…

Begleitet wird die Musik von sehr einfach und bewegungsarm gehaltenen Schwarzweiß-Projektionen auf die Leinwand hinter der Band: Schemen kahler Bäume, eine kleine Kapelle im Wald. Es gelingt das, was so oft scheitert: Die Visualisierungen verstärken die Atmosphäre, anstatt Aufmerksamkeit zu binden und die Musik gleichsam zu überfahren.

Nach rund anderthalb Stunden verlassen die Musiker nach dem ergreifenden »The Longest Night« still die Bühne, die Feldmesse ist vorbei.

Dass sie ihre musikalische Vision auch im Leisen wirkungsvoll ausdrücken können, haben Amenra bereits bewiesen (siehe die EP »Afterlife« und das Live-Album »Alive«) und sie bewiesen es auch an diesem Abend.

Setlist: Plus près de toi (Closer to You) / Diaken / Razoreater / Song to the Siren (This Mortal Coil cover) / The Dying of Light / Wear My Crown / Voor immer / Kathleen (Townes Van Zandt cover) / De evenmens / A Solitary Reign / To Go On.: And Live With. Out / The Longest Night