Ride – twenty one pilots in der Olympiahalle (Bericht)

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Fast über Nacht sind twenty one pilots 2016 zu beachtlichem Erfolg gekommen – ihre eigentlich vierte Single „Stressed Out“ aus ihrem dritten Album „Blurryface“ schlug international ein und katapultierte das Duo in Windeseile zum weltweit angesagtesten Alternative-Pop-Act. Im Zuge dessen haben Tyler Joseph und Josh Dun noch im Herbst 2016 eine Show im Zenith gespielt – und seitdem die bayerische Landeshauptstadt gemieden. Neun Jahre und drei Alben später statten sie München nun wieder einen Besuch ab: am 27. April 2025 in der restlos ausverkauften Olympiahalle.

Die „Clancy“-Tour, namensgebend zum im Vorjahr erschienenen Album, führt die Herren schon seit geraumer Zeit durch die Länder der Welt. Europa musste sich ein wenig gedulden, aber wird belohnt mit der vollen Produktion, die schon in den amerikanischen Arenen für Aufruhr gesorgt hat. Zuvor starten aber Balu Brigada. Die neuseeländische Band bringt einen angenehmen Mix aus Pop, Indie-Rock und leichten Punk-Einfluss auf die Bühne. Dreh- und Angelpunkt sind die beiden Brüder Henry und Pierre Beasley, die sich auf allen möglichen Instrumenten austoben. Ein wenig erinnert das alles an The 1975, was vielleicht auch der Grund dafür ist, dass die Münchner*innen fleißig Applaus spenden.

Eine ganze andere Jubel-Lautstärke wird mit dem Erscheinen von twenty one pilots um 20:45 Uhr erreicht. Recht unspektakulär streifen Drummer Josh Dun und Sänger und Multi-Instrumentalist Tyler Joseph zu „Overcompensate“ auf die Bühne, zünden aber schon beim zweiten Song „Holding On To You“ allerlei Licht- und Pyroeffekte, die deutlich den Kurs des Abends definieren: Hier ist mehr definitiv mehr. Rund 70 Minuten verbringt man auf halber Bühnengröße, im Hintergrund scheint noch etwas zu schlummern, dann geht es für zwei Songs mitten in die Arena – auf rechter Seite Dun an den Drums, auf der linken Joseph am Piano, und gemeinsam wird „The Line“ und „Mulberry Street“ in der Menge performt. Der Weg zurück gestaltet sich fast schon sakral. Dun schreitet mit brennender Fackel von den obersten Sitzreihen über die Arena auf die Bühne, die unter dem Einsatz dramatischer Musik und vieler Feuerschwaden ein dystopisch anmutendes Fabrik-Bild ergibt.

Dramaturgisch funktioniert nicht nur die Show, sondern auch der Liederaufbau, der fließende Übergang in das nächste Stück und die so intensive Interaktion mit dem Publikum, wie man sie selten in der Olympiahalle sieht. Immer wieder gehen die Musiker zu den Münchner*innen, beim letzten Song „Trees“ stehen sie sogar mit den Instrumenten nicht mehr auf Podesten, sondern inmitten der Menge. Dazu: Konfetti, Feuer, Feuerwerk, Tausende Lichter. Streckenweise grenzt es an Reizüberflutung, gerade bei Schlüsselmomenten wie dem C-Part von „Heavydirtysoul“ oder dem Breakdown von „Jumpsuit“, aber gerade weil die Show so perfekt abgestimmt ist, wirkt sie nie nur als Mittel zum Zweck. Dass die fein ausgewählte Setlist und die mitreißenden Stücke von twenty one pilots das alles überhaupt nicht nötig hätten, ist eine andere Sache – auch die Live-Performance von Dun und Joseph muss nicht kompensiert werden, dafür ist die spielerische Qualität an diesem Abend viel zu stark. Hier passt einfach alles zusammen, und so hinterlässt das amerikanische Duo nach knapp 130 Minuten eine schwer begeisterte Menge in München, die nur hoffen kann, dass der nächste Besuch nicht wieder neun Jahre auf sich warten lässt. Chapeau!

Setlist: Overcompensate / Holding On To You / Vignette / Car Radio / The Judge / The Craving (Jenna’s Version) / Tear In My Heart / Backslide / Shy Away / Heathens / Next Semester / Routines In The Night / The Line / Mulberry Street / Navigating / Nico And The Niners / Heavydirtysoul / My Blood / Doubt / Guns For Hands / Lavish / Ride / Paladin Strait Zugaben: Jumpsuit / Midwest Indigo / Stressed Out / Trees

Bericht: Ludwig Stadler

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