Where We Are – Take That auf dem Tollwood (Bericht)

Veröffentlicht in: Indie/Alternative, Konzerte, Sonstiges | 0

Kreisch-Alarm: Take That in München! So war das sicherlich vor rund 30 Jahren, als die britische Boyband einen Besuch in der bayerischen Landeshauptstadt angekündigt hat, mittlerweile ist einiges geschehen. Seit der Reunion bewegt man sich weg vom Boyband-Sound zu erwachsenem Pop, seit zehn Jahren zieht man auch nur noch als Trio durch die Lande. Und dennoch ist die Euphorie und Zugstärke immer noch ungebrochen: Ihr verhältnismäßig kleiner Tourstopp in der Musik-Arena des Tollwood Sommerfestvials am 2. Juli 2024 war rasend schnell ausverkauft.

Anlass bietet ihr neues Album „This Life“, das erste Werk seit über sechs Jahren. In Großbritannien waren sie damit bereits auf ausgedehnter und ziemlich beeindruckender Arena-Tour, nach Deutschland bringen sie zwar intimere Locations, aber auch eine etwas abgespeckte Variante ihrer Produktion. Bevor das größtenteils weibliche Publikum in ihren Vierzigern aber ihre Idole von früher sehen, darf erst einmal Alfie Castley einige seiner Lieder präsentieren. Der junge Brite hat wahnsinnig intensive Kompositionen im Gepäck, die von der ersten Sekunde an fesseln. An Bühnenpräsenz und Performance muss er wohl noch etwas arbeiten, man merkt ihm die Welpenhaftigkeit auf der Bühne noch stark an, aber musikalisch steckt Unmengen an Potenzial in ihm und seiner astreinen Band. Schade, dass das Publikum sich lieber lautstark unterhält, als dem Künstler seine Aufmerksamkeit zu schenken.

Setlist: Talk To Myself / Cardiac Arrest / Last Dance / Mamma Mia (ABBA cover) / Heaven’s Got A Place (Someone New) / Teenage Mona Lisa

© United Talent Agency

Sich unterhalten kann man sich jedenfalls nicht mehr, wenn erst die sechsköpfige Band und dann Take That um 20:20 Uhr auf der Bühne stehen. Das Gejubel und Gekreische ist laut und konstant, aber auch die Textsicherheit besticht sofort: „Greatest Day“ und „Giants“ werden schon zum Einstieg kräftig mitgesungen. Was sonst ein außerordentliches Merkmal der Gen-Z ist, können die ehemaligen Boygroup-Ultras der Gen-X schon lange. Besonders ins Tanzen kommen die Münchner*innen, wenn die alten Hits der 90er-Jahre ausgepackt werden: „Everything Changes“, „Relight My Fire“, „I Found Heaven“. Manchmal packt das Trio sogar die alten Tanzschritte von früher aus, was sie allerdings nie bierernst nehmen. Im Gegenteil, die durchaus auch optisch und tänzerisch wilde Vergangenheit betrachten sie eher selbstironisch, lachen bei den alten Choreografien reichlich mit und nehmen sich selbst nicht zu ernst.

Was sie aber ernst nehmen: die Musik. Zwangsläufig steht Komponist, Bandleader und Mastermind Gary Barlow im Fokus, singt den Großteil der Songs mit einer astrein-starken Live-Stimme, überlässt aber seinen Mitstreitern Mark Owen und Howard Donald immer wieder solistisch das Feld. Zeitweise ziehen sie ihr Konzert wie eine pausenlose Zeitreise auf, beginnend bei „A Million Love Songs“ über die 90er-Jahre hinweg, dann zum Comeback mit „Patience“ (live eine absolute Wucht!), die Wiedervereinigung mit „The Flood“ und final ihr neues Album. Zum Titelsong „This Life“ setzen sich die drei picknickend mit einem Bier auf die Bühne und scherzen ein wenig herum, zu „Hold Up A Light“ geht es dann sogar zur ersten Reihe im Publikum. Zu Massen-Kollaps führt diese Aktion glücklicherweise nicht mehr, aber Freude und Jubel sind allgegenwärtig. Völlig zurecht, denn Barlow, Donald und Owen präsentieren im Einklang mit ihrer Band einen musikalisch als auch entertainmenttechnisch perfekt konzipierten Abend, der irrsinnig viel Spaß macht und zeigt, dass Take That weit mehr als Nostalgie sind. Chapeau!

Setlist: Greatest Day / Giants / Everything Changes / Shine / A Million Love Songs / I Found Heaven / Pray / How Deep Is Your Love? (Bee Gees cover) / Patience / The Flood / Get Ready For It / Windows / This Life / Relight My Fire (Dan Hartman cover) / These Days / Hold Up A Light / Back For Good / Where We Are / Never Forget / Rule The World

Bericht: Ludwig Stadler

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert