Manche Veranstaltungen legen eine lange Verlegungs-Irrfahrt hin, bis sie endlich stattfinden können, so auch Torsten Sträters München-Debüt seines neuesten Programms „Schnee, der auf Ceran fällt“. Die ausverkaufte Vorstellung sollte eigentlich einmal im Circus Krone stattfinden, doch auch das Programm selbst kam nur einige Male zur Aufführung, bevor es in den ersten Lockdown ging. Nun also der Nachholtermin ein wenig anders: vier Auftritte auf zwei Tage verteilt spielt Sträter im Innenhof des Deutschen Museums, natürlich im Rahmen des Eulenspiegel Flying Circus. Für ihn sind es die ersten Auftritte vor Publikum seit langer Zeit, einige kreative Autokino-Gastspiele ausgenommen. So ziehen die Münchnerinnen und Münchner am 7./8. Juni 2021 zahlreich gen Deutsches Museum, mit kurzfristiger Kapazitätserhöhung auch noch einmal mit Möglichkeit für Spontan-Interessierte.
Dienstag, 21 Uhr, steht nun also die letzte von vier Rutschen an – und Sträter wirkt trotz bereits stundenlangem Erzählen topfit. Das Programm, wie es einmal geplant war, ist nicht mehr so recht vorhanden – es sei zu viel Zeit dazwischen gewesen, zu viel passiert. Doch über Corona solle es an diesem Abend nicht gehen. Nun gut, so ganz bekommt er es nicht hin, genauso wenig wie der Versuch, seinen Sohn nicht allzu sehr ins Programm zu integrieren, aber dem Publikum gefällt’s, es lacht ab Minute Eins fleißig über die irrwitzigen Gedanken- und Wortspiele Sträters. Der wirft sich etwas zusammenhanglos in das Erzählen von Anekdoten, warnt die Gäste bereits zu Beginn vor: hier folgen nun viele Geschichten, so recht geordnet ist es nicht. Und wenn Sträter anfängt, eine Geschichte zu erzählen, dauert das gleich einmal mindestens 15 Minuten, unzählige Abschweifungen und Nebenerklärungen inklusive. Dabei streift er mit Anspielungen von Avengers-Filmen bis Ricky Gervais alles so an, dass wirklich jede Alters- und Personengruppe abgeholt wird. Selbst Erzählungen seines Wacken-Auftritts bleiben nicht aus – sehr zur Freude der anwesenden Metal-Fans.
Besonders wunderbar in dieser etwas kleineren Größenordnung: das Spiel mit dem Publikum. Dran glauben muss der 13-jährige Felix, der in den vorderen Reihen mit kurzer Hose sitzt – bei immer frischer werdenden Temperaturen. Das beweist Sträters Schlagfertigkeit und nette Einfälle, da er ihn konsequent in jede Geschichte reinbringt. Außerdem wirkt der Dortmunder äußerst entspannt, froh über Publikum und völlig frei in seiner Wort- und Themenwahl. Da gehört der eine oder andere dämliche Ausruf genauso dazu wie eine schier ewige Geschichte über das Englischkenntnis-Battle zwischen ihm und seinen Sohn auf einer New York-Reise. Das alles, beteuert er mehrfach, entspricht natürlich alles der Wahrheit, maximal etwas übertrieben, aber alles so geschehen. Zwinker.
Von Talkshows und später Vaterschaft schwadroniert Sträter so also über 100 Minuten, als er dann doch zum Titel seines Programms zurückkommt und von der Bühne schreitet. Zurückgeklatscht vom Publikum ist er sich aber, trotz fortgeschrittener Uhrzeit, auch für eine ausführliche Zugabe nicht zu schade – und macht sodann die zwei Stunden voll, als er um kurz nach 23 Uhr sich endgültig von der Bühne verabschiedet. Eine etwas fäkale Geschichte über eine prominente Begegnung im Zug ist genau der letzte Gag, den dieser großartige Abend verdient hat. Torsten Sträter schafft es, eine absolute Ungezwungenheit zu vermitteln, dabei aber humorvoll und spontan über alltägliche Dinge herzuziehen, ohne je unter die Gürtellinie zu gehen oder in plumpe Sprache abzufallen, wie doch unzählige seiner Kolleg*innen. Mit 55 Jahren zählt er, trotz mittlerweile eigener Show auf ARD und medialer Omnipräsenz, immer noch ein wenig zu den Newcomer des Kabarett-Bereichs. Diese Lockerheit und Spritzigkeit darf und soll sich Sträter unbedingt beibehalten!
Bericht: Ludwig Stadler