Nein, der aktuell heiße Scheiß sind sie schon lange nicht mehr, die Kaiser Chiefs. Und dennoch: sie haben sich in den vergangenen 17 Jahren ihr fixes Stammpublikum erspielt und konsequent immer noch großartig klingende, neue Musik veröffentlicht. So ist es kaum verwunderlich, dass sie am 12. Februar 2020 im Technikum alles restlos ausverkaufen – trotz starker Konkurrenz mit Tenacious D in der Olympiahalle. Dem Publikum ist das aber egal, denn sie wissen, was sie an ihren Briten haben. Dementsprechend hoch die Erwartung, dementsprechend auch gut die Stimmung.
Erst einmal darf der Berliner Musiker Betterov mit seiner Band um 20 Uhr ein paar seiner Lieder spielen – und es sind vermutlich auch die einzigen, die er bisher hat, denn dies, so der noch etwas schüchterne Sänger, sei seine bisher größte Show und auch sowieso, die erste EP erscheine nun im März und man sei ganz am Anfang. Dafür klingt die Musik aber bereits eingängig und fein komponiert, auch stark gespielt und wunderbar gesungen. Ausbaufähig dagegen die Bühnenperformance, die zwar von seinen Mitmusikern gut verstanden, aber von Betterov selbst noch nicht so richtig ausgelebt wird – zwar wirkt er in den Ansagen sehr sympathisch, zeigt aber während seiner Lieder einen Bewegungsradius von wenigen Millimetern und präsentiert seine Texte zumindest so, als hätte er absolut keine Lust, diese Stücke gerade zu singen. Das ist bei so frischer und energievoller Musik doch hoffentlich nicht der Fall – wir sind jedenfalls gespannt, wie es weitergeht!
Setlist: Angst / Nacht / Irrenanstalt / Dynamit / Viertel vor Irgendwas
Die Altmeister von Kaiser Chiefs machen es sich da etwas leichter und starten relativ Intro-los und unverblümt mit „People Know How To Love One Another“ – und lassen hier bereits mit ordentlich rockigem und sattem Sound absolut nichts anbrennen. Das soll sich über das gesamte Konzert ziehen: es geht zackig durch die Lieder, Ansagen gibt es kaum, dafür Tempo, Tempo, Tempo, sodass es zeitweise so eskalativ wie auf dem wildesten Punk-Konzert rundgeht, besonders gegen Ende mit „Never Miss A Beat“ und „I Predict A Riot“. Frontmann Ricky Wilson torkelt dabei etwas über die Bühne, singt aber absolut fehlerfrei und feuert die teils etwas statische Instrumental-Front an. Gegen Ende des Mainsets geht ihm dann aber doch einmal die Puste aus. „Hold on a second“, versucht er seinen Drummer noch aufzuhalten, aber zu spät, er trümmert bereits los und weiter geht’s. Bloß kein Stillstand.
Nur einen kleinen Balladenblock gibt es, mit „Parachute“, „Target Market“ und „Coming Home“. Eine Entspannung, bevor es in die Vollen geht und auch dem Publikum keinen Grund mehr lässt, bewegungslos dazustehen – der Moshpit rollt, die Menge tanzt und trotz des eher höheren Altersschnitts und der Tatsache, dass es ja doch Mittwochabend ist, wird fröhlich mitgemacht, als gäbe es kein Morgen. Das sieht man zwar gelegentlich bei euphorischen Rockshows am Wochenende, aber doch recht selten unter der Woche, sodass die Musik der Kaiser Chiefs eben doch mitreißend genug ist, die Münchner voll und ganz bei sich zu haben. Ihr großer Radio-Hit „Ruby“, unerwarteterweise plötzlich inmitten des Konzerts, ist da lange nicht der Höhepunkt, viel zu stark sind Nummern wie „Hole In My Soul“ oder „Na Na Na Na Naa“, auch das punkige „Ruffians On Parade“ bringt die Menge ordentlich zum Schwitzen. Selbst 14 Jahre nach dem Durchbruch präsentieren sich die Briten fitter und energetischer als je zuvor – mit überragendem Sound und fantastischer Lichtshow. Hut ab!
Setlist: People Know How To Love One Another / Na Na Na Na Naa / Everything Is Average Nowadays / Ruffians On Parade / Parachute / Target Market / Coming Home / Golden Oldies / Everyday I Love You Less And Less / Ruby / Modern Way / Don’t Just Stand There, Do Something / Hole In My Soul / Never Miss A Beat / I Predict A Riot / The Angry Mob – Zugaben: Record Collection / Pinball Wizard (The Who cover) / Oh My God
Bericht: Ludwig Stadler