„Es ist in Ordnung“ ist der Song, mit dem die einzige, weltweite deutsche Pop-Ikone ihren Konzertabend startet: Nena. Und das ist es auch, denn an diesem etwas regnerischen Samstag, 13. Juli 2019, lädt sie ein in die Musik-Arena auf dem Tollwood Sommerfestival – und über 5000 Personen folgen ihrem Ruf. Ausverkauft ist das Konzert schon einige Monate zuvor. Kein Wunder, befindet sich die Sängerin gerade auf ihrer „Nichts versäumt“-Best-Of-Tour und packt, neben ihren unsterblichen Hits, auch Raritäten von früher aus. Ein toller Querschnitt war das bereits letzten Juni im Circus Krone, wie wir berichteten – mit neuen Liedern und ein wenig neuem Programm gelingt das auch bestens bei der 2019er-Wiederholung.
Den Abend eröffnen dürfen Lupid. Die vier jungen Musiker, die sich selbst schon seit Einlass mit riesigen, aufgestellt Buchstaben, die ihren Bandnamen ergeben, ankündigen, haben sich dem deutschsprachigen Pop verschrieben und agieren in bester Wincent Weiss– und Max Giesinger-Manier. Deutlich elektronischer gehen die Jungs aber zugange – textlich findet man in Liedern wie „Lieb mich jetzt“ und „Sag meinen Namen“ aber keinen großartigen Innovationsimpuls. Allgemein wollen die Titel absolut nicht zünden, viel zu belanglos die Texte, die Musik, zu wenig ausdrucksstark die Geschichten dahinter. Auch die Bühnenperformance wirkt etwas zu stark abgeguckt von den Genre-Kollegen. So vergehen die 30 Minuten etwas zäh. Natürlich, da gibt es auch deutlich Schlechteres auf dem deutschen Musikmarkt, aber auf diesem musikalischen Pfad wird sich der Werdegang der Band zwangsläufig in den Sand verlaufen.
Setlist: Ins kalte Wasser / Sag meinen Namen / Lieb mich jetzt / Aus allen Wolken / Der Trick ist zu atmen / Happy End
Während es außerhalb des glücklicherweise überdachten Zeltes den Regenschauer des Jahrhunderts gibt, steigt die Temperatur in der Musik-Arena auf ein Vielfaches – und sollte auch bis zum Schluss nicht fallen. „Lass mal das Kind vor“, schreit mir eine Frau ins Ohr, zieht mich auf die Seite und schickt zwei flitzende Kinder nach vorne. Freundlich. „Sind das Ihre Kinder?“, frage ich. Nein, sagt sie. Die kommen von weiter hinten. Aha. Immerhin startet dann pünktlich um 20 Uhr die Queen Of NDW herself, Nena, und lenkt von den irgendwie zahlreich herumirrenden und scheinbar elternlosen Kindern ab. Dann geht es los – und hört nicht mehr auf. Sie will es scheinbar wissen, spielt ohne viele Ansagen doch 21 Lieder, kürzt sogar spontan den Rein-Raus-Prozess vor der zweiten Zugabe. Die Devise der Songauswahl ist deutlich: Rock, Punk, Hauptsache laut.
Leider ist ihr der Sound dieses Mal nicht so wohlgesonnen wie noch im letzten Jahr im Circus Krone – die Gitarre hat zu wenig Ausdruck, der Gesang geht teilweise vollends in den drei (!) Hintergrund-Vocals unter und allgemein ist das Publikum so unfassbar laut, dass die Band gut und gerne übertönt wird. Nena freut sich, lächelt überglücklich, betont die Liebe aller und zerplatzt vor lauter Emotionen kurzerhand einen „Love“-Luftballon. Selbst die esoterischen Anspielungen bleiben vollends weg – bis zum letzten Song „Zusammen“, vor dem sie den Kontakt zum verstorbenen Original-Bandmitglied Carlo betont. Aber das gehört dazu, genauso wie ihr schier perfektes Aussehen mit 59 (!) Jahren. Viele Journalisten werfen ihr gerne einmal vor, nur auf jugendlich zu tun – sie verneint das deutlich mit dem 2015 erschienen „Berufsjugendlich“. Die Behauptung ging weiter. Wieso Nena all das letztendlich tut? Für die Fans und – für sich. Hoffentlich lange, denn auch mit Esoterik-Einschlag ist ein Konzert der Rocksängerin immer noch fantastisch. „Es ist in Ordnung“ – na eben.
Setlist: Es ist in Ordnung / Nur geträumt / Rette mich / ? (Fragezeichen / Immer weiter / Haus der drei Sonnen / Ich bin hyperaktiv / Was immer du tust / Noch einmal / Tanz auf dem Vulkan / Manchmal ist ein Tag ein ganzes Leben / Weißes Schiff / Dafür ist das Leben zu kurz / Wunder gescheh’n / Leuchtturm / 99 Luftballons – Zugaben: Indianer / Willst du mit mir gehen? / Genau jetzt / Irgendwie, irgendwo, irgendwann / Zusammen
Bericht: Ludwig Stadler