Weddings And Wars – Will Varley in der Kranhalle (Konzertbericht)

Nachdem der englische Folk-Sänger Will Varley bereits im April in der Kranhalle des Feierwerk gespielt hatte, kehrt er nun, am 1. Oktober, eben dorthin zurück, solo diesmal, nur mit Akustikgitarre bewaffnet. Ob eine so baldige Rückkehr, zumal an einem Montagabend, in der Lage ist, ein nennenswertes Publikum hinter dem Ofen hervorzuzerren?

Ist sie. Als der lokale Support auf der Bühne Position einnimmt, kann man die Halle durchaus als voll bezeichnen. Seda singt und spielt Gitarre, mal mit Bandunterstützung, mal ohne, und bewegt sich zwischen Pop, Folk und Soul. Die junge Musikerin macht sich mit Courtney-Barnett-hafter Lockerheit sympathisch, besticht jedoch mit einer umwerfend starken Stimme, die souverän zwischen Reibeisen und mitunter verletzlicher Klarheit changiert. Eine sehr positive Überraschung also für all jene, denen die Münchnerin noch kein Begriff war: Wer wird da noch über unkoordinierte Momente des Auftritts nörgeln?

Zumal auch das Konzert von Will Varley selbst stets von einem gewissen chaotischen Unterton brummt: Sichtlich genießt der ohne Umschweife ans Mikrophon getretene Brite die Freiheit, als Solokünstler das Konzert zu 100 Prozent der eigenen Willkür unterworfen zu wissen. Zerstreut erzählt, philosophiert er zwischen, auch mal während der Songs, rekapituliert, was ihm alles auf langen Fahrten auf „German Autonbahns“ durch Kopf und Magen gegangen ist – und liefert fast wie nebenbei eine (vor allem stimmlich) starke Performance nach der anderen ab. Unter dem Damoklesschwert des Brexit habe er beschlossen, so viel in Europa zu touren, wie er könne, solange er es noch könne, erklärt er. Und tatsächlich handelt es sich bei der Setlist weniger um eine Vorstellung seines aktuellen Albums „Spirit of Minnie“, sondern um eine Best Of-Show. Ein erklecklicher Teil des Publikums präsentiert denn auch sich als ausnehmend textsicher und begleitet Varley durch Klassiker wie „Weddings and Wars“ oder „Seize the Night“, die der Sänger gleich eingangs verfeuert.

Quelle: http://www.thisisnowagency.com/roster/will-varley/

Erstaunlich ist, dass sich die von kantigem Charme und Witz sprühende Person Varley, wie er leibhaftig auf der Bühne steht, nicht mit seinen oft traurigen und gefühlvoll aufrichtigen Songs beißt. Varley gelingt es durchgehend, nicht nur als Performer, sondern als ganze Person hinter den Zeilen zu stehen, die er vorträgt – oder zumindest, diesen Eindruck zu erwecken. So stehen Tränendrüsendrücker wie „The Man Who Fell to Earth“ einträchtig neben zynischen (nicht im engeren Sinne) Protestsongs wie „I Got This Email“ oder „Advert Soundtrack“ – eine so abwechslungsreiche wie unterhaltende Konzerterfahrung, die Varley nach der letzten Zugabe „King for a King“ reichlichen und verdienten Applaus einträgt.

So bleibt zu hoffen, dass die britische Abschottungspolitik diesen Mann nicht auf Dauer den hiesigen Gefilden enthebt….

Setlist: Newborn / Weddings and Wars / Seize the Night / Until the Grass Gets Greener / The Sound of the Markets Crashing / The Man Who Fell to Earth / Statues / I Got This Email / From Halcyon / Seven Days / As for My Soul / Advert Soundtrack / We Don’t Believe YouZugabe: February Snow / King for a King