Endlich einmal – WiebuschBosseUhlmann auf der Sommerbühne (Bericht)

Veröffentlicht in: Indie/Alternative, Konzerte, Metal/Rock | 0

Wie? Marcus Wiebusch, Bosse und Thees Uhlmann gehen auf Tour? Gemeinsam??? Was in Prä-Corona-Zeiten für freudige Jubelstürme gesorgt hätte, avanciert nun im immer noch pandemiegeplagten Sommer 2021 zum wohl größten umherziehenden Tour-Paket. Dabei hat das Hamburger Trio nicht nur sich selbst, sondern vor allem allerlei Lieder aus ihrer Karriere und eine vierköpfige Band mit im Gepäck. Die Vorfreude ist schier grenzenlos, als sie am 9. August 2021 auf der Sommerbühne im Olympiastadion Halt machen, um einen Abend voller Anekdoten und sichtlicher Euphorie ob des Spielortes einzuläuten.

Beginnen dürfen aber erst einmal Sir Simon & Burkini Beach kurz nach 19 Uhr. Weil um 22 Uhr Zapfenstreich sein muss, ist ihre Spielzeit etwas vorgeschoben worden – das hat sicherlich zur Folge, dass der Stadion-Rang noch etwas spärlich besetzt ist. Leider kann die Musik die Anwesenden auch wenig überzeugen – der Applaus ist gering, das Interesse wohltuend, aber das Ergebnis ausbaufähig. Die Songs sind recht fad, die Ansagen antriebslos – am Ende geht es wohl auch in der Größe der Location so unter, dass es höchstens zur Hintergrundbeschallung reicht.

© Andreas Hornoff

Als die Band und folgend die „drei Tenöre“ (Selbstbezeichnung) gegen 20:05 Uhr die Bühne einnehmen, ist der Jubel und die Auslastung doch sichtlich größer. „48 Stunden“, ein Klassiker aus dem Hause Kettcar, eröffnet den Abend und sorgt schon für die ersten Überraschungsmomente: alle drei Künstler singen auch gegenseitig mit oder übernehmen teils ganze Strophen-Parts, allgemein ist das Trio durchgehend auf der Bühne und begleitet den jeweils anderen. Das macht den Abend deutlich flüssiger und sympathischer als ein fliegender Wechsel. Selbstredend aber, dass die Ansagen da gerne mal lang und ausführlich werden – gerade Thees Uhlmann und Marcus Wiebusch sind die Könige des Anekdoten-Erzählens. Aber auch Bosse, der jüngste Spross unter den Tenören, kann Geschichten von eigenartigen Begegnungen bei Zugfahrten erzählen. Besonders amüsant: den Unwillen seiner Tochter, mal ein Konzert vom uncoolen Dad zu besuchen. Wiebusch lacht darüber herzlich – seine Söhne kämen nicht mal mehr zum Hamburg-Konzert kommende Woche. Der Kampf mit den Pubertierenden.

Zumindest musikalisch gibt es aber keinen Grund der Konzertvermeidung – die Begleitband spielt grandios, die drei Protagonisten sind stimmlich und spielerisch bestens drauf und liefern nicht nur astreine Spielqualität, sondern auch neue und kreative Versionen, beispielsweise von Kettcars „Benzin und Kartoffelchips“. Auch Bosse landet mit „Wende der Zeit“ einen absoluten Gänsehaut-Moment. Ansonsten gelingt nun, im direkten Vergleich aller Lieder, auch ein wenig die Einordnung: Bosses Texte fallen im Vergleich zu Uhlmann und Wiebusch deutlich ab, dafür hat Uhlmann wiederum die geringste Abwechslung in seiner musikalischen Gestaltung. Am stärksten sind die Nummern von Wiebusch, egal ob von Kettcar oder das grandiose „Nur einmal rächen“ aus seinem bis dato einzigem Solo-Album – die Texte sind intelligent, vielschichtig und dennoch greifbar, manchmal muss man ein paar Chiffren entschlüsseln, aber selbst altehrwürdige Songs wie „Balkon gegenüber“ sind damals vor 20 Jahren wie heute genial. Das Münchner Publikum sieht das ähnlich: die Wiebusch-Songs bekommen am meisten Applaus und die häufigsten Aufsteh-Momente – ein großes Kompliment, denn Aufstehen ist nur mit Maske möglich.

Ein besonderer Punkt: das Olympiastadion. Damals, erzählen Wiebusch und Uhlmann, hat St. Pauli den FC Bayern hier geschlagen, vor 11.000 zahlenden Zuschauern. Ein paar Jahrzehnte später stehen sie nun also hier, die Hamburger Musiker, zwar bis zu zwölf Jahre Altersunterschied und auch musikalisch weniger kompatibel als gedacht, aber eben als wirkliche Freunde. Kein Wunder, dass der Zugabenblock, passenderweise bestehend aus dem jeweils größten Hit, für pure Euphorie auf und vor der Bühne sorgt: „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“, „Schönste Zeit“ und „Landungsbrücken raus“ als treibender Abschluss. Ein schöner Abend, ein runder Abend.

Setlist: 48 Stunden / Die Toten auf dem Rücksitz / So oder so / Endlich einmal / Rettung / Wende der Zeit / Benzin und Kartoffelchips / Junkies und Scientologen / Das hier ist Fußball / Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt / Der letzte Tanz / Das Paradies / Zugvögel / Nur einmal rächen / Wartesaal / Balkon gegenüber / New YorkZugaben: Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf / Schönste Zeit / Landungsbrücken raus