Ein Stück Broadway in München – „West Side Story“ im Deutschen Theater (Kritik)

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Musicalklassiker mit deutsche Texten – oft von der Presse und vor allem von den Fans beklagt! Doch nicht dieses Mal. Mit „West Side Story“ bringt das Deutsche Theater eine Produktion, die an Authentizität und Qualität einer waschechten Broadway-Produktion in Nichts nachsteht. Der Saal ist ausverkauft und die Kameras drängen sich um die Ehrengäste am roten Teppich. Verdientermaßen bei dieser Show! Nachdem 2021 eine Neuverfilmung unter Regie von Steven Spielberg erschien, ist West Side Story wieder in aller Munde.

© Johan Persson

Die Handlung ist hinreichend bekannt; dass altbekannte Klassiker in die aktuelle Zeit versetzt und somit neu aufgearbeitet werden, ist ebenso ein bekanntes Vorgehen am Theater. Die Handlung von Romeo und Julia auf den Stand der Zeit bringen, nahm sich Arthur Laurents bereits Mitte der 1950er Jahre vor, als in New York Bandenkämpfe an der Tagesordnung waren.

In dem Musical mit Musik von Leonard Bernstein lernen sich so Maria (Melanie Sierra), deren Bruder Teil der puerto-ricanischen Straßengang Sharks ist, und Toni (Jadon Webster), der mit den Jets eigentlich nichts mehr zu tun haben möchte, kennen. Die beiden treffen sich bei einem Tanzabend und sind voneinander hingerissen. Eine Massenszene mit Tanzeinlagen, die dem puerto-ricanischen Temperament ebenso gerecht wird wie dem Tanzfieber der 50er Jahre. Die Choreografien von Julio Monge sind im Allgemeinen bemerkenswert. So wird bereits in der Eröffnungsszene die Rivalität zwischen den Gangs allein durch einen Tanz verdeutlicht, der sich trotz einer am Ballett angelehnten Ästhetik sehr harmonisch in den Stil des Abends einfügt. Auch musikalisch macht der Abend viel her! Die musikalische Leitung unter Lonny Price zahlt sich aus.

© Johan Persson

Ein Highlight ist Jadon Websters Solo „Maria“,  hier kommen große Gefühle auf. Dennoch wird die Inszenierung nie zu gefühlsduselig; schon kurz darauf folgt der Gute-Laune-Garant „America“. Wie der Shakespeares-Klassiker, ist allerdings auch West Side Story eine Tragödie. Bereits vor der Pause sterben Marias Bruder Bernardo (Antony Sanchez) und Tonis Freund Riff (Liam Johnson) in einer Messerstecherei.

Doch die Liebenden halten zueinander. Anders als in der Vorlage sterben am Ende nicht beide, sondern Tony wird in Marias Armen erschossen. Bemerkenswert an dieser Veränderung ist, dass es nicht die Erwachsenen oder die Autoritäten, wie in  Romeo und Julia der Fürst, sind, die den Streit schlussendlich beilegen, sondern die Betroffenen selbst einsehen, was sie da riskieren. Die Schlussszene bewegt zutiefst und beweist damit, dass diese Inszenierung sowohl gute Laune als auch große Gefühle kann. Eben wie am Broadway!

Kritik: Jana Taendler