Run Away From The Sun – VV im Backstage Werk (Bericht)

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Geduld wird am Ende doch noch belohnt, wenngleich man schon sehr viel Geduld mitbringen musste, die Stimme von Ville Valo wieder live auf einer Bühne zu hören. Zuletzt 2017 mit HIM auf Abschiedstour, wurde es ruhig um den Sänger von so vielen Klassikern. Bis jetzt, denn vor rund einem Jahr kündigte er sein neues Soloprojekt VV an und damit sogleich eine Tour, die allerdings ebenso noch ein Jahr entfernt liegt. Ausverkauft war die Show am 3. März 2023 im Backstage Werk dennoch rasend schnell und so pilgerten die glücklichen Kartenbesitzer*innen nun gen Reitknechtstraße 6, um HIM-Klassikern und Werken des ersten Albums zu lauschen.

Die Wahl des Supports gestaltet sich als besonders interessant, denn mit Kælan Mikla begleitet ein isländisches Frauen-Trio die Konzertreise. Interessant vor allem deshalb, weil es musikalisch doch im stärkeren Gegensatz zum Folgendem steht – es geht synthielastig voran, getrieben vom programmierten Schlagzeug. Dazu gesellt sich Bass, manchmal Gitarre und immer wieder auch Querflöte. Abermals darüber: der Gesang von Laufey Soffía, der zumeist sprechend, manchmal auch singend, gelegentlich ausgedehnt schreiend durch die Boxen donnert. Zusammen ergibt das, wider Erwarten, eine stimmige Mischung, ist auf die Dauer von 35 Minuten dann aber doch zeitweise zu eintönig und etwas anstrengend. Dennoch: immerhin kein HIM-Klon als Opener!

Setlist: Kalt / Sírenur / Næturblóm / Ándvaka / Sólstöður / Hvítir Sandar

An satten E-Gitarren wird es wohl nicht mangeln, das wird bereits um kurz nach 21 Uhr klar, wenn „Echolocate Your Love“ den Startschuss auf eine 18-Songs-starke und pausenlos performte Setlist gibt. Auf der Bühne prangt das aktualisierte Heartagram, bereits zu HIM-Zeiten Logo und Aushängeschild der Musik, an den Seiten sind Strobos und etwas Lichttechnik montiert, doch ansonsten besinnt sich alles auf das Wesentliche: die vierköpfige Band und – natürlich – Ville Valo selbst. Wer auf die großen Reden hofft, wird enttäuscht: erst vor dem letzten Song richtet er sich in einer ausführlichen Ansage an die euphorischen Münchner*innen, zuvor wird schnörkel- und pausenlos das Programm eingehalten. Was sonst leicht störend wirken kann, ist aber hier genau richtig: die Songauswahl aus den melancholischen VV-Liedern und treibenden HIM-Liedern ist so extrem gelungen, dass man in dieser musikalischen Reise auf keinen Fall unterbrochen werden will.

© Lisa Pavlova

Dass dieses Konzert am Ende so ein riesiger Erfolg ist und das Publikum völlig beseelt zurücklässt, liegt vor allem an zwei Punkten: einerseits der astreinen Performance von Band und Valo selbst, der jeden Ton bestens trifft und selbst in den Höhen absolut überzeugen kann, andererseits an der Grundstimmung, die durch die Lieder erzeugt wird. Das ist schwerlich in Worte zu fassen, aber die Kombination von Melodie, Komposition und Text ergeben einen gewissen melancholischen Schleier, der sich über das Backstage Werk legt und durchgehend eine Atmosphäre erzeugt, die Glücksgefühle verbreitet. Der „Love Metal“, wie VV seine Musik einmal bezeichnete, entfacht eben doch seine Wirkung und steht überraschend im Kontrast zu der restlichen Musik in der Gothic-Szene, zu der man ihn freilich zuordnen kann. 90 Minuten sind es am Ende – und davon bleibt nicht eine einzige negativ in Erinnerung. Hoffentlich dauert die nächste Möglichkeit, VVs Stimme zu hören, nicht wieder sechs Jahre.

Setlist: Echolocate Your Love / The Funeral Of Hearts (HIM) / Neon Noir / Right Here In My Arms (HIM) / Loveletting / Buried Alive By Love (HIM) / In Trenodia / Wings Of A Butterfly (HIM) / Heartful Of Ghosts / Join Me In Death (HIM) / The Foreverlost / The Kiss Of Dawn (HIM) / Run Away From The Sun / When Love And Death Embrace (HIM)Zugaben: Soul On Fire (HIM) / Salute The Sanguine / Poison Girl (HIM) / Saturnine Saturnalia

Bericht: Ludwig Stadler
Vielen lieben Dank an Lisa Pavlova für die Bereitstellung einiger Bilder des Konzerts!