Ganze sieben Jahre ist der letzte Besuch von Snow Patrol in München bereits her. Sieben Jahre, in denen sicherlich viel geschehen ist bei Publikum und Band – und dennoch herrscht eine gewisse Selbstverständlichkeit, wieder die Lieblinge aus Irland zu besuchen, auch nach all der Zeit. Das Publikum besteht schon lange nicht mehr aus Teenagern, die auf „Chasing Cars“ warten. Inzwischen ist der Altersschnitt gut gestiegen, der weibliche Anteil aber immer noch wesentlich höher als der männliche. Auf der Bühne folgt den gesamten Abend Pop mit JC Stewart und Foy Vance, später eben auch der übliche Poprock von Snow Patrol – eine grundsätzlich schon einmal äußerst gute Kombination für diesen Freitag, 18. Januar 2019 im Zenith.
Um 19:15 Uhr verdunkelt sich die Halle bereits zum ersten Mal – JC Stewart und seine Band entern die Bühne. Ein junger irischer Newcomer, wie Snow Patrol-Frontmann Gary Lightbody später erklärt, bei dem es eine Ehre sei, mit ihm die Bühne zu teilen. Die Ehre scheint ganz auf Seiten Stewarts, denn in dem rund 30-minütigen Set überzeugt er sichtlich glücklich mit seinen Liedern. Als Grundlage verwendet er die üblichen Pop-Melodien, setzt aber wesentlich auf Live-Musik und scheut sich nicht davor, auch einmal eine E-Gitarre einzusetzen – das alles wird ummantelt von seiner wirklich starken und aussagekräftigen, aber dennoch recht jungen Stimme. Vielleicht nun nicht besonders neu oder gar überwältigend, aber allemal grundsolide. Den Weg des jungen Herrn lohnt es, weiter zu verfolgen.
Auf der linken Seite der Bühne, die übrigens von einem riesigen schwarzen Vorhang abgehängt ist, steht bereits ein weiteres Schlagzeug und ein Piano. Da man zwei Supports mit wenig Instrumentarien hat, funktioniert die Aufteilung auf der verkleinerten Bühne perfekt, sodass Foy Vance auch zeitig um 20 Uhr beginnt und bereits ab dem ersten Songs restlos begeistert. Gemeinsam mit einem Live-Drummer schafft es der Singer-Songwriter, einen Gesamt-Sound zu erzeugen, den etliche Bands mit zehn Musikern nicht erreichen. Maßgeblich dazu trägt die irrsinnig starke Gesangsstimme von Vance bei, die einen gesunden Mix aus Shinedown-Sänger Brent Smith und Jon Bon Jovi zu seinen Bestzeiten bildet. Die 35-minütige Performance wird so zum musikalischen Hochvergnügen, wenngleich er noch ein wenig an seinen Ansagen tüfteln könnte – seinen Namen beispielsweise hat er kein einziges Mal erwähnt. Nichtsdestotrotz ein weiterer gelungener Auftakt.
Setlist: Closed Hand, Full Of Friends / Joy Of Nothing / Noam Chomsky Is A Soft Revolution / You And I / Ziggy Looked Me In The Eye / She Burns / Guiding Light
Das Zenith hat sich mittlerweile fast vollständig gefüllt. Bedenkt man den fehlenden Wellenbrecher im vorderen Bereich, dürften bestimmt rund 5500 Besucher auf die Band des Abends warten: Snow Patrol. Diese lassen nach längerem Umbau um 21 Uhr endlich das Intro ertönen und damit einhergehend den riesigen Beamer, der über dem Publikum schwebt, auf die Leinwand das Bandlogo projizieren. Bereits hier wird schnell klar: auf der Bühne sieht man eine Arena-Produktion, die aber auch eindrucksvoll in etwas kleineren Venues funktioniert. Insgesamt hält sich die Band aber mit besonders vielen Gimmicks zurück – bei „You Could Be Happy“ und „The Lightning Strike“ kommt eine durchsichtige Leinwand für noch mehr Projektionen vor die Bühne, ansonsten spielt man sich mit der übermäßig großen Projektionsfläche und einer recht dezenten Lichtshow. Die Hauptakteure unbestritten: Band und Musik.
Dementsprechend musikalisch gehen die fünf Herren auf der Bühne auch vor – einiges an neuem Material findet seinen Weg in die Liederabfolge, „but many old songs too, don’t worry“, kündigt Frontmann Gary Lightbody an. Er ist es auch, der charismatisch und wirklich angenehm individuell über ein paar Ereignisse um Songs und Musiker berichtet und selbst dann noch grinsend auf der Bühne steht, als bei der Zugabe „What If This Is All The Love You Ever Get?“ seine Kopfstimme vollends versagt und nur noch ein fragwürdiges Piepen aus seiner Kehle kommt. Zum Glück ist das nicht der Regelfall – Lightbody und Kollegen agieren die gesamte 100-minütige Show auf höchstem Niveau und liefern eine astreine und wirklich gute Performance ab. Überraschend ist vor allem der glasklare und schier perfekte Sound – und das alles im für seine grauenhafte Akustik bekannte Zenith. Aber Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel.
Snow Patrol sind dennoch wahrscheinlich die lahmste Rock-Band des Planeten. Dabei ist „lahm“ gar nicht unbedingt als negative Abwertung zu verstehen, denn immerhin es wirklich erfrischend, mit welchem Enthusiasmus sie es durchgehend schaffen, ihre langsamen Lieder vorzutragen – und das alles ohne Ermüdungserscheinungen beim Publikum. Schier endlos wirkt das Konzert – und dennoch findet es um 22:40 Uhr mit „Just Say Yes“ ein Ende. Für viele sicherlich der musikalische Jahresauftakt – schöner hätte er wohl kaum sein können. Möchte man etwas bemängeln, dann maximal, dass die Band „Set The Fire To The Third Bar“ in München aus der Setlist geworfen haben. Aber das nächste Mal dann eben wieder – und nicht erst in sieben Jahren.
Setlist: Take Back The City / Chocolate / Crack The Shutters / Empress / Don’t Give In / Open Your Eyes / Run / You Could Be Happy / Life On Earth / Make This Go On Forever / Shut Your Eyes / Dark Roman Wine / Heal Me / The Lightning Strike (What If This Storm Ends?) / Chasing Cars / You’re All I Have – Zugaben: What If This Is All The Love You Ever Get? / Just Say Yes
Bericht: Ludwig Stadler