Zwischen Plot, Party und Priscilla – „Priscilla – Königin der Wüste“ im Gärtnerplatztheater (Kritik)

Veröffentlicht in: Musical, Theater | 0

In der neuen Spielzeit des Gärtnerplatztheaters ist auch „Priscilla – Königin der Wüste“ wieder im Programm. Bereits seit 2017 begeistert das Musical um den schrillen Roadtrip dreier Dragqueens durch Australien das Münchner Publikum. So auch am Donnerstag, 17. September 2020. Bereits nach den ersten 30 Sekunden war der Saal am Toben und das, obwohl nur ein Viertel der Kapazität besetzt ist, ob der Abstände und freien Reihen zum Infektionsschutz.

Bereits seit der Premiere am Gärtnerplatztheater im Dezember 2017 werden die drei Protagonisten von Armin Kahl (Tick) Erwin Windegger (Bernadette) und Terry Alfaro (Adam) zum Besten gegeben. Mit den drei so unterschiedlichen Charakteren werden für das Publikum ganz unterschiedliche Aspekte und Persönlichkeiten der Dragszene repräsentiert. Diese Entscheidung ist dem Buch von Stephan Elliott und Allan Scott oder sogar dem 1995 erschienenen Kinofilm zu verdanken. Musikalisch entspricht der Abend ganz dem Genre Musical mit vielen dem Publikum bekannten Discohits wie ‚Hot Stuff‘,  ‚It’s Raining Men‘ (sehr eindrucksvoll in Szene gesetzt durch von oben ins Blickfeld gelassene Tänzer, die hernach eine Strip-Einlage hinlegen) über ‚Girls Just Want to Have Fun’ bis hin zu ‚Go West’. Es wurde hier also nicht selbst Musik geschrieben, sondern hie und da ausgeborgt. Dennoch kommen die altbekannten Hits umso mitreißender rüber, da sie von einer großen Band live performed werden.

© Marie-Laure Briane

Das Erfolgskonzept des Abends ist wohl der perfekte Mix aus Party und Plot. Eine semi-erfolgreiche Dragqueen aus Sydney wird von der Ex-Frau gebeten, in einer kleinen Stadt mitten im Nirgendwo einige Shows im Casino zu spielen. Zudem wird es langsam Zeit, den gemeinsamen Sohn dem Vater vorzustellen. Und so macht sich Tick mit Adam und Bernadette auf den Weg durch das Outback. Adam und Bernadette können sich nicht leiden (Drama ist vorprogrammiert) und ab und an gibt es tiefgründige und beklemmende Konfrontationen mit Homophobie. An keiner Stelle zieht sich der Abend oder wird zu melancholisch oder zu albern. Lediglich der Song ‚Pop Music‘, angelehnt an die in Bangkok berühmten PingPong-Shows, ist inklusive der Besetzung von Cynthia (Marides Lazo) etwas fragwürdig. Schließlich wird in diesem Teil des Stückes eine weibliche Figur mit Migrationshintergrund als durchgeknalltes Thai-Weib dargestellt, deren einziges Interesse darin besteht, aller Aufmerksamkeit durch ihre obszönen Showeinlagen auf sich zu ziehen. Das beißt sich deutlich mit der toleranten Aussage des Musicals gegenüber Minderheiten. Während die Storyline und die Wirkung feinsinnig und aufschlussreich gegen Homophobie und Vorurteile vorgeht, ist es hier erschreckend klischeebeladen.

© Marie-Laure Briane

Dennoch ist das nur ein kleines Manko in einer sonst sehr sehr runden Sache. Zwischen herrlich überzogenen Einlagen, wie dem sich im Wind auf dem Dach des pinken Busses (übrigens die im Titel benannte Priscilla) windenden Adam kommen auch echte Gefühle, wie zwischen Bob (Frank Berg) und Bernadette oder Tick und seinem Sohn (Jasper Baumann) nicht zu kurz. Für den entsprechenden Hintergrundgesang sorgen die Diven (Dorina Garuci, Jessica Kessler, Amber Schoop) die auch durch die herrlichen Glitzerflügel das sonst etwas zurückhaltende Bühnenbild vervollständigen. Absolut bemerkenswert sind hingegen die Kostüme. Andererseits kommt ein Stück über Dragqueens ohne diese ja wohl kaum aus. Das Energielevel und auch die Stimmung im Saal sind so stark, dass die Inszenierung gut mit dem Erlebnis in einem der absoluten Musical-Klassiker wie Mama Mia mithalten kann. Dieser Erfolg ist natürlich der Story und der Songauswahl, aber auch der Hingabe der drei Hauptdarsteller zu verdanken. Ganz ganz groß!

Kritik: Jana Taendler