Freedom at 21 – Jack White im Zenith (Konzertbericht)

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Samstagabend, mitten im Oktober. Zwar gibt es natürlich wie immer ein paar Konkurrenz-Veranstaltungen, aber das Konzert im Zenith dürfte an diesem Abend wohl am bedeutendsten sein: Jack White ist wieder in der Stadt! Der begnadete Gitarrist, Sänger und Songwriter war zuletzt 2006 mit seinem Projekt The Raconteurs in der Muffathalle zu sehen – und seine Auftritte zuvor mit seiner legendären Band The White Stripes sind mit zwei Gastspielen in den Jahren 2001 (Orangehouse) und 2005 (Zenith) auch eher selten gewesen. Kein Wunder also, dass sein erster Auftritt als Solo-Musiker einen großen Zulauf bekommt – sogar so einen großen, dass das Zenith kurzerhand mit 6.000 Leuten restlos ausverkauft ist.

Mindestens so spannend wie der Künstler selbst dürfte das Konzept des Handyverbots sein. In Amerika hat man bereits begonnen, die Handys in verschlossene Hüllen zu stecken, die man wieder in die Hosentasche tun kann – am Ende des Konzerts werden diese dann wieder geöffnet. Es gibt einen Bereich am Ende der Halle, in dem man auf sein Handy zugreifen kann – will man anschließend wieder in das Konzertgetümmel, wird alles wieder verschlossen. Sicherlich ist das die radikalste Variante von allen. Dennoch: sie hat funktioniert. Erstmals in Deutschland bringt ein Künstler dieses Konzept auf Tour mit und damit einhergehend auch das erste Mal in München. Zwar halten nicht alle Hüllen und einige hätten Zugriff auf ihr Handy, aber da ist dann der Deutsche wohl doch zu pflichtbewusst – während des Konzerts sieht man keinen einzigen Bildschirm.

In den Konzertpausen kann man sich problemlos mit den umstehenden Besuchern unterhalten. Während den Bands sollte man das logischerweise nicht, aber die Vorband des Abends macht es einen tatsächlich sehr schwer. Gewalt nennt sich das Trio, Noiserock aus Berlin performen die Musiker da auf der Bühne – und es ist streckenweise eine wahre Grenzerfahrung. Manche Songs überschreiten eine Note nicht, die Texte sind auf Deutsch und ziemlich stumpf und letztendlich wirkt das Gesamtkonzept so wie gewollt, aber nicht annähernd gekonnt. Für Avantgarde ist es zu ausdruckslos, für Rockmusik viel zu sperrig, zum Tanzen ist es zu langweilig. Nach dreißig Minuten fängt das dauernd blinkende Blaulicht und der durchgehend stumpfe Drum-Beat vom Laptop nur noch zu nerven an, sodass kaum jemand sonderlich traurig ist, als sich die zwei Damen und der Frontmann mit „Wir sind sicher“ verabschieden.

Setlist: Guter Junge, böser Junge / Tier / Pandora / Szenen einer Ehe / So geht die Geschichte / Wir sind sicher

© David James Swanson

Gegen 21 Uhr (da wir unsere Armbanduhr vergessen haben, können wir nur mutmaßen) kommt dann aber endlich der Meister selbst mit seiner vierköpfigen Band auf die Bühne. Mit Schlagzeugerin, Bassist, Keyboard- und Pianospieler und einem vierten Mann für allerlei elektronische Spielereien fährt Jack White überraschend wenig für seinen wuchtigen Sound auf. An der Gitarre steht übrigens nur er selbst, gemeinsam mit seiner Mikro-Konstruktion um drei Mikrofone, alle mit eigenem Sound. Ansonsten beläuft sich das gesamte Bühnensetting auf nicht viel mehr – die Performance selbst ist die Show. Keine Leinwand, keine Pyroeffekte, nur eine leichte Licht-Show, die allerdings perfekt auf die drei Farben auf der Bühne abgestimmt ist: schwarz, blau, weiß.

Und dabei ist diese Performance genauso schnörkellos wie konsequent: unnötige Ansagen gibt es nicht, theatralisches Von-der-Bühne-Gehen ebenso wenig. Ist der eine Song zu Ende, wechselt White in ordentlicher Geschwindigkeit seine Gitarre (insgesamt sechs Gitarren stehen für ihn bereit) und weiter geht es im Programm. Dabei ist der Musiker von Anfang an voller Energie, springt energisch auf und ab und stachelt sein Publikum ein wenig, aber vor allem sich selbst ununterbrochen an. Seine fantastischen Gitarrensoli und –riffs gehen da fast schon selbstverständlich von seiner Hand, nicht minder beeindruckend ist das ganze musikalische Spektakel dennoch. Nur der Sound, der immer ein kleines Problem im Zenith ist, pendelt sich erst gegen Mitte des Auftritts ein. Fast etwas zu spät.

Knappe zwei Stunden zieht der 43-Jährige dieses Tempo durch und spielt sich wild durch seine Diskografie, wobei seine Solo-Lieder natürlich Vorrang haben, wenngleich The White Stripes nicht zu kurz kommen. Welche Songs anstehen, entscheidet er kurzfristig – jeden Tag gibt es andere Werke aus seinen unzähligen Alben. Ein paar Konstanten gibt es aber dennoch, wozu natürlich der abschließende, ganz große Hit dazuzählt: „Seven Nation Army“. Glücklicherweise entsteht dann doch keine Bierzelt-Atmosphäre, dafür ist das Publikum zu gefangen in der Musik-Welt. Und dieser Stil, diese Art, Rock-Musik zu komponieren, ist weiterhin einzigartig. Jack White gilt weltweit als einer der bedeutendsten, lebenden Gitarristen – wieso, hat er eindrucksvoll im Zenith bewiesen. Aber ob sein nächster Besuch auch wieder erst in 12 Jahren ist? Wir hoffen doch nicht.

Setlist: Over And Over And Over / Dead Leaves And The Dirty Group (The White Stripes Song) / Corporation / Cannon (The White Stripes Song) / Hotel Yorba (The White Stripes Song) / That Black Bat Licorice / Why Walk A Dog? / Missing Pieces / You Don’t Know What Love Is (You Just Do As You’re Told) (The White Stripes Song) / I Cut Like A Buffalo (The Dead Weather Song) / Love Interruption / Do (The White Stripes Song) / High Ball Stepper / Lazaretto / I’m Slowly Turning Into You (The White Stripes Song)Zugaben: Steady As She Goes (The Raconteurs Song) / Freedom at 21 / Ice Station Zebra / Connected By Love / Seven Nation Army (The White Stripes Song)

Bericht: Ludwig Stadler