Es muss was Wunderbares sein, ein so beliebtes Bühnenwerk in einer Neuinszenierung dem Münchner Publikum zu präsentieren. Auf irgendeine Art und Weise hat vermutlich jeder schon einmal vom „Weißen Rössl“ gehört und jeder verbindet damit etwas anderes. Für manche ist es der Inbegriff von Heimatliebe, andere haben allein bei der Erwähnung tagelang Ohrwürmer und wieder andere drohen gewaltbereit mit den Worten „Wehe, du singst!“. In diesem Jahr bringt das Hofspielhaus das Singspiel in einer Eigenproduktion auf die Bühne. Seit dem 2. Mai 2019 tanzen und singen sich die fünf Darsteller auf der minimalen Bühnenfläche vor etwa 60 Zuschauern in den Versuch eines Heimatfilms bei „Im weissen Rössl am Starnberger See“, der aufgrund von mangelndem Budget und mangelhaftem Text leider auch über den Versuch nicht hinauskommt.
Es ist Hauptsaison im Hotel „Zum weißen Rössel“ am Starnberger See und der Oberkellner Leopold ist unsterblich in seine Chefin, die Wirtin des Hotels, verliebt. Sie hat jedoch nur Augen für den Stammgast aus Berlin, der ihr seit Jahren schöne Augen macht. So weit dürfte das Geschehen den Meisten noch bekannt sein. Die hinzugefügten Neuerungen von Moses Wolf erweitern die Ereignisse qualitativ jedoch kaum: zwei griechische Touristen, Vater und Tochter, passend in Lederhose und Dirndl, entscheiden sich für Urlaub an genau dem See, in welchem König Ludwig ertrunken ist. Es folgen die Irrungen und (Ver-)Wirrungen der Liebe auf den ersten Blick, denn die griechische Tochter verliebt sich in den Berliner Stammgast. Der großen Liebe steht nur der griechische Vater im Weg, der vom übertriebenen Patriotismus dazu getrieben wird, alles und jeden mit seinen Weisheiten zu nerven – auch die Zuschauer. Aber allen Hindernissen zum Trotz siegt schlussendlich die Liebe und jeder endet mit dem vorherbestimmten Partner. Leopold und die Hotel Wirtin leiten fortan gemeinsam als Ehepaar das „Zum weißen Rössel“ und die griechische Tochter verlobt sich mit den Berliner Stammgast. Der griechische Vater ist glücklich, weil er mit der Hochzeit der Tochter einen Geschäftsabschluss in Griechenland erreichen kann.
Wer jetzt nicht ganz bei den Geschehnissen mitgekommen ist, kann versichert sein, er ist nicht allein. Die an der Originalfassung vorgenommenen Alternationen sind recht sinnlos und führen ins Nirgendwo. Der Versuch der Geschichte einen internationaleren Flair zu verpassen scheitert am lächerlichen Akzent des griechischen Vater und der Berliner Stammgast scheint sich nicht zwischen der Wirtin des Hotels und der griechischen Tochter entscheiden zu können, weshalb seine eigentliche Romanze schließlich weder authentisch noch ernsthaft wirkt. Die Einsparungen bei Bühnenbild und Ensemblestärke erlauben zusätzlich kaum, dass sich die Atmosphäre großartig von einer mittelmäßigen Schulaufführung unterscheidet. Die Regisseurin Franziska Reng gelingt es in ihrem Erstwerk leider kaum, Stimmung aufzubauen, Figuren realistisch zu gestalten oder einen passenden Rahmen zu schaffen. Zwischen Bettlakenkulissen und Plastikblumen verliert sich die Inszenierung in lahmen Wortspielen und unlustigen Running Gags.
Allein durch die Stimmen und das Talent einzelner Darsteller kann die Produktion als einigermaßen sehenswert hervorgehoben werden. Maria Helagth (Hotel Wirtin) und Christoph Theussl (Leopold) leiten die Darsteller stimmgewaltig und fast schon zu voluminös für die Aufführungsstätte durch den Abend. Ihre Chemie auf der Bühne lenkt während ihrer Dialoge und Duette vollkommen von der Spielstätte ab und überzeugt mit Authentizität und wahrer Sympathie. Marina Granchette (griechische Tochter) und Burkhard Kosche (Berliner Stammgast) können leider nicht mithalten und wirken zu recht, trotz ihrer schön harmonierenden Klangfarben, als frisch verliebtes Paar unglaubwürdig.
Grundsätzlich hätte diese Produktion gute Voraussetzungen: starke Schauspieler und ein bewährter Publikumsliebling mit Ohrwurmgarantien. Aber leider scheitert es an der Ausführung und Ausstattung. Wer nicht allzu viel Wert auf die Geschichte um die bekannten Lieder herum legt, kann an dieser Produktion durchaus Gefallen finden, denn die Musik ist wie beim Original mitreißend und aufmunternd. Für Suchende von substanziellem Revuetheater hingegen dürfte der Abend jedoch leider erfolglos bleiben.
Kritik: Anna Matthiesen