Der Split Eskimo Callboy – Sebastian „Sushi” Biesler hat die Metal(core)-Welt kurz vor Corona-Ausbruch anno 2020 erschüttert. Die letzte Platte zu diesem Zeitpunkt hatte nur noch wenig Elemente der ursprünglichen Musik, aber woran hat’s gelegen? Diese Frage lässt sich vermutlich schwer beantworten. Was sich allerdings leicht feststellen lässt, ist der musikalische Wille und das Durchsetzungsvermögen von Sushi. Mit Ghostkid legt er ein international konkurrenzfähiges Musikprojekt auf, das schon mehrfach eine hohe Hit-Dichte nicht nur auf Spotify bewiesen hat. Dass das neue Projekt auch auf der Bühne funktioniert, zeigt die (beinahe) frisch gegründete Band fulminant auf ihrer ersten Tour, so auch am 26. August 2021 im Münchner Backstage mit Support Casino Blackout.
Ohne großes Intro oder Klimbims fangen Casino Blackout pünktlich um 20:00 Uhr an. Sehr souverän, allerdings auch sehr distanziert wird das Set zur Hälfte komplett ohne Publikumsinteraktion durchgespielt. Dadurch, dass der leidenschaftlich gespielte Pop-Punk(rock) einfach ein gutes Gefühl gibt, ist die Performance ein bisschen wie ein Backhendl im Ofen zu beobachten.
Während die erste Hälfte durch besagte Distanz und Livestream-Gefühl dominiert ist, kommt in der zweiten Hälfte endlich das „Wir“-Gefühl durch. Viele Wo-Oh-Oh-Parts heben gegen Ende Casino Blackout doch von etwaiger Hintergrundbeschallung ab und machen die Band zu einer nicht ganz passenden, aber angenehmen Vorband. Nach kurzen 33 Minuten ist das Set vorbei, man ist glücklich, aber das gewisse Etwas fehlt. So wie das rohe Ei in der Goaßmass.
Die Lichter gehen aus, ein durchdringendes Basswummern beginnt und kurz darauf beginnt das Backstage zu brennen. Nachdem die Show von der Backstage Arena Süd in das Werk verlegt wurde, ist die Halle sehr gut gefüllt und bringt die aufgeladene Stimmung eines kuscheligen Club-Konzerts rüber. Man merkt sehr klar dass das Publikum will, aber nicht darf, dennoch jeden Versuch unternimmt, Ghostkid möglichst viel Energie zurückzugeben, welche die Band selbst auf der Bühne auslebt.
Musikalisch ist die Show extrem (fast unerwartet) tight, und auch stimmlich ist Sushi in Höchstform. Das Ganze hat durch eine Bandneugründung, Corona oder der Tatsache, dass gerade die erste Tour gespielt wird nichts an Qualität eingebüßt und die teilweise schon millionenfach geklickten Songs der Band ziehen einfach so krass wie der Wind in den Augen beim E-Roller-Fahren im Winter. Nun kombiniere man den sehr starken Auftritt mit der Connection zum Publikum, grandiosen Songs und eine Weltklasse-Lichtshow, heraus kommt einfach nur Spaß. Es gibt zwar den Wermutstropfen, dass die Show nur 40 Minuten gedauert hat, aber bei „nur“ neun vorhandenen Songs und der rübergebrachten Energie ist das absolut verkraftbar. Dieser Wermutstropfen ist in etwa wie beim Negroni Cocktail, es gehört dazu. Kurz und knackig, umgehauen und glücklich. Vielen Dank Ghostkid. Gute Nacht.
Setlist: Fool / Start A Fight / Crown / Sharks / DRTY / You & I / This Is Not Hollywood / Supernova / Zero
Bericht: Jakob Preißler