Gekonnt gewaltig – Guillaume Tell im Nationaltheater

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Es ist jedes Mal eine Kunst für sich, Gioachino Rossinis letzte Oper bedeutend auf die Bühne zu bringen. Die Bayerische Staatsoper hat sich der Aufgabe gestellt und „Guillaume Tell“ auf die Bühne gebraucht. Bereits 2014 zu den Opernfestspielen zum ersten Mal gespielt, besticht die Inszenierung des jungen Regisseurs Antú Romero Nunes bereits durch die Bilder, die man im Internet oder auch wie immer direkt am Theater hängend findet: ein Bühnenbild mit undefinierbaren, grauen Säulen.
Um zu klären, was es damit auf sich hat, wurde das Stück von unserem Redakteur Ludwig am 10.05.2017 besucht.

© Wilfried Hösl

Allein der Beginn ein Paukenschlag. Ohne Ankündigung rannte ein Mann auf die Bühne, der kurz darauf von einem weiteren Mann mit einer Axt umgebracht wurde. Erst dann setzte das Orchester ein und das Licht ging aus. Die Geschichte um den Freiheitskämpfer Wilhelm Tell, bekanntermaßen als Vorlage von Friedrich Schiller verwendet, ist längst keine neue mehr, allerdings setzt Nunes sichtlich darauf, die Geschichte neu und modern beizubehalten. Tell und seine Mitstreiter, das normale arbeitende Volk, gegen die Polizeigewalt unter Leitung des Kaisers Gesler, des tyrannischen Diktators. Spätestens, als bei der Feierzeremonie für Gesler eine Europa-Fahne in schwarz-weiß geschwenkt wurde, ist die Aktualität dieses Stückes massiv klar geworden. Der Kampf gegen Unterdrückung und für Freiheit – hier in der Schweiz dargestellt, stellvertretend für die ganze Welt.

Der erste Blickfang aber auf jeden Fall: das abgefahrene Bühnenbild. De facto gab es, neben dem sagenumwobenen Apfel und ein paar Maschinengewehren, keine Requisiten, geschweige denn klare Bühnenelemente. All das wäre aber auch absolut überflüssig gewesen, denn die unzähligen, rund 9m hohen Zylinder (das Material war nicht recht erkennbar), die von oben mehrfach in diverse Positionen auf die Bühne händisch über Seile gebracht wurden. Die mindestens 40 Elemente wurden des Öfteren einfach so bildgewaltig und opulent eingesetzt, dass man es schlichtweg mit offenem Mund bestaunte. Mal sanken die Pfeiler bis zum Anschlag, um die Bedrückung und Ausweglosigkeit auszudrücken, mal gingen sie in die Schräge, um die Unentschlossenheit darzustellen. Eine clevere Methode, die bis zum Schluss ausgeschöpft wurde. Fraglos eines der prägendsten Mittel der Inszenierung.

© Wilfried Hösl

Die Sänger und Schauspieler, und hierbei soll der Chor der Bayerischen Staatsoper, der durchgehend vollen Einsatz zeigen musste, bewusst miteinbezogen werden, waren durchweg grandios und passend besetzt. Allen voran stachen vor allem Guillaume Tell & Jemmy, also Vater und Sohn, dargestellt von Gerald Finley und Evgeniya Sotnikova, durch ihren kräftigen und sicheren Gesang heraus. Der Gewinner und Star des Abends war allerdings, ohne Frage, Yosep Kang als unentschlossener Arnold Melcthal, die heimliche Hauptrolle der Oper. Egal ob im Duett mit der ebenso fantastischen Erika Grimaldi oder als dem Vater nachklagender Sohn in der Arie „Asile héréditaire“Kang erzeugte Gänsehaut, indem er aus voller Inbrunst die höchsten Töne souverän und locker erreichte.

Auffallend in „Guillaume Tell“ ist die, vor allem in den Arien, stark zurückhaltende Rolle des Orchesters. Es wirkt so, als wollte Rossini den Sängerinnen und Sängern die gesamte Aufmerksamkeit schenken. Und hier kommen wir auch schon zum großen und zugleich einzigen Kritikpunkt der Inszenierung. Alles muss in den Fokus: das opulente Bühnenbild, das Gesangstalent der Darsteller, die Story über die Freiheitskämpfe, die mächtigen Chorgesänge – nur gelingt das nicht, es kommt lediglich zu einer knappen Kenntnis, nicht aber zu einem Verschmelzen aller Punkte, am ehesten bleibt der Blick am andauernd präsenten Bühnenbild haften. Doch spätestens beim clever inszenierten Apfelschuss kurz vor der Pause oder dem Erklingen der allseits bekannten Ouvertüre verzeiht man die Überladenheit und widmet sich vollends der sehr gelungenen, modernen Inszenierung.

Weitere Termine: 14.05. / 17.05.
Rest-Karten gibt es HIER.

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