Als das Musical „Gefährliche Liebschaften“ im Cuvilliéstheater, damals Ausweichstätte des Gärtnerplatztheaters, im Februar 2015 uraufgeführt wurde, war die Begeisterung groß. So groß, dass bedeutende Auszeichnungen beim Deutschen Musical Theater Preis folgen sollten. Insgesamt fünf Preise gab es – neben „Beste Komposition“ und „Bestes Kostümbild“ auch vor allem die Königskategorie „Bestes Musical“. Keine Frage also, dass wir zur Wiederaufnahme vorbeisehen, um uns einmal selbst davon zu überzeugen.
Allein der Beginn ist bereits ein Paukenschlag: ein entblößtes Hinterteil streckt sich dem Publikum entgegen, während der Rest des Körpers in einem Bett sich dem Geschlechtsverkehr widmet – und das setzt eigentlich auch bereits die Grundpfeiler. Scham- und zügellos wird sich durch die Gesellschaft der Reichen und Schönen intrigiert, nicht einmal für Geld oder Ruhm, sondern nur für die eigene Selbstbestätigung. Selbstredend sind das ganz niedrige Motive und so ringen die Protagonisten, die beide zeitgleich die Antagonisten sind, um ihre gegenseitige Gunst, um sich selbst feiern zu können. Im Mittelpunkt stehen Marquise de Merteuil und der Casanova Vicomte de Valmont, die sich mit einer Wette duellieren: Gelingt es Valmont, die als besonders fromm geltende und verheiratete Madame de Tourvel zu verführen, darf er bei Merteuil ran. Das alles natürlich noch mit kleinen Nebenplots und etlichen Charakteren gespickt, dennoch bleibt das die Grundstory. Klingt krude, ist es letztendlich auch.
Dabei ist es unfair, das Musical für die etwas dämliche und letztendlich auch nicht über die gesamte Zeit spannungshaltende Handlung zu bestrafen, denn in erster Linie ist das gesamte Geschehen auf der Bühne einem französischen Briefroman aus dem Jahr 1782 entnommen. Der Klassiker wird dabei nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell wörtlich genommen, denn Regisseur und Intendant Josef E. Köpplinger entscheidet sich dafür, werk- und zeitgetreu zu inszenieren und bringt ein klassisches Kostümbild auf die Bühne, lässt die Figuren wie dazumal handeln und vergisst dabei auch nicht die für seine Bühnenwerke fast schon übliche Treppe auf der Drehbühne. Um aber nicht komplett dem schon etwas veralteten Stoff zu verfallen, lässt er einen riesigen Spiegel über der Bühne schweben, etwas schräg angewinkelt. Der Spiegel der simplen, kaum tiefergehenden Gesellschaft sozusagen, dem sich die handelnden Personen faktisch durchgehend abwenden. Sehen sie aber doch einmal hinein, sprechen sie Wahres und Ehrliches. Ein cleverer Schachzug.
Der größte Erfolg des Musicals basiert aber garantiert auf der Musik und deren Darbieter. Die Kompositionen von Marc Schubring in Einklang mit den Texten von Wolfgang Adenberg wissen durchaus zu gefallen, erleben durch das große Orchester des Gärtnerplatztheaters auch noch einmal eine größere Bedeutung und punkten, trotz gelegentlichen Abrutschens in das Musical-Baukasten-Prinzip bei der Struktur, mit Melodie und Vielfalt. Natürlich lebt all das stark vom Ensemble, das glücklicherweise fast identisch zur Uraufführung ist. Von Armin Kahl als Valmont zu Anna Montanaro als Merteuil bis zur wunderbaren Julia Klotz als Tourvel fungieren die größten Handlungsfiguren allesamt grandios und singen sich beachtlich klar und stimmstark durch die Lieder. Selbst die kleineren Nebenrollen, wie Florian Peters als Danceny, sind passend besetzt und wissen durchgehend zu überzeugen. Sie alle sind es auch, die über die inhaltlichen Schwächen hinwegtäuschen und einen gelungenen Musicalabend garantieren. Eine etwas kürzere Laufzeit hätte dem Esprit allerdings sicher nicht geschadet.
Kritik: Ludwig Stadler
Besuchte Vorstellung: 20. Oktober 2018