Klamauk der Untoten – „Frankenstein – Das Rockmusical“ im Deutschen Theater

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Eine Musical-Uraufführung! Schön! Allzu oft passiert das in Deutschland nicht, zumeist sind es deutsche Erstaufführungen, die aus Übersee ihren Weg hierher finden. Nun: „Frankenstein – Das Rockmusical“. Die Handlung ist hinlänglich bekannt, geschrieben und komponiert wurde der Spaß von Paul Stebbings, übersetzt ins Deutsche von Christian Auer. Es verspricht also ein düster-grusliges Machwerk mit britischem, schwarzem Humor bevorzustehen. Aushängeschild der Produktion: Musical-Star Thomas Borchert und seine Gattin Navina Heyne, die bereits einige Male als Duo in München zu Gast waren. Der Silbersaal im Deutschen Theater ist an der Premiere am 4. November 2021 randvoll.

© Alexander Bornschlegl

Wichtig ist zu Beginn, keine falschen Erwartungen zu haben: ein Musical im Silbersaal muss allein schon wegen der Größe eher minimalistisch agieren und handeln. Das bedeutet hierbei: die Musik kommt aus den Boxen und wird nicht live gespielt, das Bühnenbild wechselt vor allem durch eine Requisiten- und Materialschlacht und viel Imaginationskraft des Publikums. Ersteres ist zwar schade, aber zu erwarten, letzteres hat viel Charme und beweist, wie viele kreativen Einfälle hier noch zusammengekommen sind. Das beginnt schon mit dem pantomimischen Start am Friedhof, gefolgt von einer Vorlesung des Professors, die von Victor Frankenstein (Peter Lewys Preston) besucht wird. Ein Kalauer jagt den nächsten und ist zunächst ungewöhnlich, aber man kommt recht schnell in die fast schon parodistische Version der Frankenstein-Geschichte rein. Dennoch ist die Quote der funktionierenden Späße erschreckend gering und das Timing mancher unfassbar platten Witzchen auch einfach daneben, wenn in der Erschaffung des Monsters plötzlich eine kleine Polka getanzt wird – und das auch noch ein zweites Mal wiederholt wird, wenngleich es schon beim ersten Mal nur das Gefühl auslöst, was als Jugendwort des Jahres 2021 gewählt wurde: cringe.

© Alexander Bornschlegl

Aber neben dem Gag-(Un)gewitter gibt es glücklicherweise auch einige Gründe, die für den Besuch des Musicals sprechen – und letztendlich auch den Großteil des Saals zum Bleiben in der deutlich besseren zweiten Hälfte verleiten. Da wäre zum einen das fünfköpfige Ensemble, von dem vier singen und dies auch grandios machen. Besonders Preston als Frankenstein und Heyne als Elizabeth haben wohl nicht nur die dankbarsten Lieder, sondern auch einfach genau die Rollen erwischt, die ihnen perfekt stehen – schauspielerisch in seriösen als auch klamaukigen Sequenzen können sie sich austoben, was sie mit sichtlichem Spaß auch machen. Thomas Borchert darf vor allem als Monster pantomimisch und gestikulierend spielerisch aktiv werden, was äußerst gut gelingt – in seinen etwas wenigen Liedern kann er vollends überzeugen, bleibt aber hinter dem zurück, was er zeigen könnte. Schade, da wäre in der Komposition für das Monster mehr drin gewesen. Auch Gareth Davies hat in vielen unterschiedlichen Rollen das Spektrum von schräg (Igor) bis schön (Blinder) zu meistern, am Anfang des zweiten Akts sorgt er beim Publikum auch für Jubel mit seinem Lied übers Fliegen.

Während also die erste Hälfte in Klamauk und Trash nur so ertrinkt, schafft die zweite Hälfte einen ganz guten Spagat aus ernsthaften Gedanken der Akteure, guten Liedern und dennoch der richtigen Portion Humor. Das rettet „Frankenstein – Das Rockmusical“ in seiner deutlich zu langen Spielzeit von zwei Stunden zzgl. Pause am Ende, sodass man mit einem soliden Bauchgefühl aus dem Abend herausgeht. Szenen, die absurd-lustig wirken sollen, aber vollkommen daneben laufen, wie beispielsweise der Auftritt zweier Wurstverkäuferinnen mit der Ode an die bayerische Wurst, bleiben aber leider trotzdem negativ im Kopf, ebenso wie viele Witze, die selten etwas mit trockenem britischem Humor zu tun haben, sondern zumeist einfach nur plump und platt sind. Schraubt man seine Ansprüche also insofern herunter und erwartet einfach nur Unterhaltung ohne großen Mehrwert, bekommt man Amüsement, ziemlich gute Musik und tolle Stimmen und Darsteller*innen. Für den wirklich fairen Ticketpreis von 35€ keine schlechte Wahl.

Kritik: Ludwig Stadler