Der Weg in die Freiheit – „Fidelio“ in der Staatsoper (Kritik)

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Ludwig van Beethoven zählt zu den bekanntesten Komponisten der Welt – überraschend, dass er da also in seiner Schaffenszeit nur eine einzige Oper schrieb. „Fidelio“ nennt sich sein Musiktheater-Vermächtnis und ist erfrischend anders, vor allem aber musikalisch offenherziger und weniger technisch. In der Bayerischen Staatsoper feierte die Inszenierung von Calixto Bieito bereits im Dezember 2010 Premiere. Nun, rund acht Jahre später, kehrt die ebendiese mit der Original-Besetzung von Florestan, Leonore und Don Pizarro zurück auf die Münchner Bühne.

© Wilfried Hösl

Der Plot ist leicht erklärt: Don Pizarro hält Florestan gefangen und will ihn umbringen. Leonore, die Frau des Gefangenen, will ihn finden und befreien, weshalb sie sich als Fidelio ausgibt und als Gefängniswächter arbeitet. Sie findet ihren Mann, kann Pizarro vom Mord abhalten und flieht gemeinsam mit ihrem Liebsten in die Freiheit. Die Tatsache, dass der Tenor überlebt und das Ende womöglich etwas zu kitschig geraten könnte, hat Bieito wohl auch interessiert – weshalb er dementsprechend dagegen steuert. Das ganze Bühnenbild besteht aus mehreren, verzwackten Konstruktionen, die wie ein riesiger Irrgarten funktionieren – und keinen Weg hinaus in die Freiheit bergen.

© Wilfried Hösl

Allein die Besetzung lässt aufsehen – und natürlich den Vorverkauf so glühen, dass bereits alle Vorstellungen ausverkauft sind. Wie auch bei der Premerienreihe übernimmt Anja Kampe wieder die Rolle der Leonore, Wolfgang Koch verkörpert den Don Pizarro und Jonas Kaufmann ist als Florestan ein gezeichneter Gefangener. Bevor Leonore aber überhaupt in den Keller zu Florestan gelangt, übersteht sie den kompletten ersten Akt in der verzweifelten Suche nach ihm und muss sich zusätzlich mit ihrem Chef Rocco (Günther Groissbock) und dessen Tochter Marzelline (Hanna-Elisabeth Müller), die sich in das Alter Ego Fidelio verliebt hat, herumschlagen. Ein strammes Programm für eine verhältnismäßig kurze Oper von 130 Minuten – aber alleine der Aufbau einer Nummernoper ergibt neue Möglichkeiten. Kirill Petrenko und das Staatsorchester spielen sich überraschend zurückhaltend durch Beethovens Noten, dennoch angemessen und den durchgehend starken Sängerinnen und Sängern zuvorkommend. Einzig Wolfgang Koch bleibt etwas hinter seinen üblichen Leistungen zurück – womöglich liegt das auch an der eisigen Winterzeit.

© Wilfried Hösl

Gleich zu Beginn irren etliche Gefangene durch die Konstruktion, auf der Suche nach einem Weg, der hinaus führt. Wirklich hinaus schafft es letztendlich nur Florestan, der sich dafür aber auch metamorphosen-ähnlich umziehen muss und auch noch erschossen wird, um dann in Freiheit wieder zu erwachen (was mit einem „Frei“-Schild klar sichtbar gemacht wird). Die Frage stellt sich berechtigt: Ist man tatsächlich erst frei, wenn man tot ist? Und selbst wenn man frei sein sollte – was nützt die Freiheit, wenn alle anderen Gefangene sind? Bieito gelingt es mit einer erst einmal erschlagend großen und modernen Bühne überraschend gut und kurzweilig, seine Gedanken in die Oper einfließen zu lassen. Der Besucher bekommt so das perfekte Zusammenspiel: grandiose Gesangs- und Schauspielleistung, eine Bühne mit Schauwert und viele Gedanken, die man nach der Vorstellung nach Hause nehmen kann – vielleicht sogar muss.

Kritik: Ludwig Stadler
Besuchte Vorstellung: 24. Januar 2019