Endlich! Mit der Eröffnungspremiere des Münchner Volkstheaters startet auch offiziell das erste Sprechtheater des Schauspiels in die neue Spielzeit und gibt ein wenig den Startschuss und die erste Messlatte für alle anderen Eröffnungen. Mit William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ hat man sich ein zwar bekanntes, aber nicht einfach umzusetzendes Werk herausgesucht. Das Resultat: gespalten.
Schwierig und letztendlich irgendwie auch etwas zu verworren ist das Stück, dem sich Regisseur Kieran Joel angenommen hat. Im Vorjahr durfte er bereits mit „Romeo und Julia“ den Auftakt geben, nun also wieder ein Shakespeare-Klassiker. Aus den vier verwobenen Handlungssträngen macht er kurzerhand drei, lässt die theaterspielenden Handwerker weg und kürt das eigentlich im Mittelpunkt stehende, adlige Paar zu den Schauspielern, die Pyramus und Thisbe einstudieren, lustigerweise der historische Vorgänger von „Romeo und Julia“. Den Fokus setzt Joel auf die Liebenden, die sich in einer Art spiralen Traum befinden, welcher für jeden eine individuelle Erkenntnis und Änderung bereithält – immer wieder unterbrochen von den anderen Handlungssträngen. Das gelingt streckenweise bei den drei Schauspielern um Pyramus und Thisbe, leider aber überhaupt nicht bei der Geschichte um Elfen-König Oberon und seiner Frau – die gewollte Provokation ist noch nicht zu Ende geführt, vielleicht auch nicht zu Ende gedacht. Es bleibt zu zurückhaltend, um etwas zu bewegen.
Die vielen guten Ansätze, die teilweise nicht genutzt werden, sind auch letztendlich der eigene Stein im Weg. Zwar agiert die Darsteller-Front durchgehend großartig, besonders Jakob Geßner als Zettel und Sebastian Schneider in seinem Volkstheater-Debüt als Lysander, dennoch können auch sie nur mit dem bestehenden Konzept arbeiten, das zu blass bleibt. Kreative Ideen wie das Herumklettern der Schauspieler im Theaterpublikum oder den andauernd wandelbaren Puck in diversen Anzügen als ruhiger, strickeziehender Gentleman mit Rose (der Liebestrank!) in der Hand in bester „Der Bachelor“-Manier zeigen allerdings, wie viel Potential da noch dringesteckt hätte. So ziehen sich die 105 Minuten Spielzeit doch, weil der zusammenführende Faden nicht stark genug genährt wird – die Akteure der einzelnen Geschichten gehen zu wenig aufeinander ein.
Fantastisch allerdings fraglos die handwerkliche Seite. Das Bühnenbild und die Kostüme von Belle Santos sind liebevoll und detailliert umgesetzt, versetzen gelungen in das Original-Setting, werden aber gekonnt in der Inszenierung gebrochen mit dem ordentlichen Einsatz digitaler Spielereien. Ein flimmernder Torbogen signalisiert die Traumsequenzen, die Leinwand an der hinteren Seite bleibt allerdings eher schwach und nicht bedeutsam eingesetzt. Allgemein führt die Verwendung der audiovisuellen Möglichkeiten, was die Musik (angenehm bedrohlich von Lenny Mockridge) miteinschließt, wohl auch zum Entschluss, über Mikroports zu spielen. Leider, denn wäre die Musik nur etwas leiser verwendet worden, hätte man getrost auf die Abnahme der Stimmen verzichten können – reines Sprechtheater ist bei so einem klassischen Stück ohne große Effekte doch immer noch eine lohnenswerte Sache.
Insgesamt ein steigerungsfähiger Spielzeit-Start mit spannenden, gelungenen Ansätzen, die aber nicht zu Ende gebracht werden. Ein Theaterabend, der nicht ganz befriedigend nach Hause gehen lässt.
Kritik: Ludwig Stadler