Weibliche Sexualität als Besessenheit im Angesicht Gottes – „Die Teufel von Loudun“ in der Staatsoper (Kritik)

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„Mit der Hoffnung kommt die Liebe. Und wie wir alle wissen, mit der Liebe kommt der Hass.“ Die Themen Liebe, Lust und Hass im Spannungsfeld der katholischen Religion werfen interessante Fragen auf. Wie und durch wen wird Unzucht und Gotteslästerung bestraft? Wozu führt eine Unterdrückung von Sexualität und sexuellem Verlangen? Und wer richtet im Kontext von Exorzismen tatsächlich teuflisches Werk an? Die Teufel von Loudun feierte am 27. Juni 2022 Premiere an der Bayerischen Staatsoper.

Die Oper basiert auf dem gleichnamigen Roman von Aldous Huxley aus dem Jahre 1952, den er basierend auf wahren Vorkommnissen im 17. Jahrhundert in der Stadt Loudun, in Frankreich, verfasste. Der führende Komponist der polnischen Avantgarde, Krzysztof Penderecki, der neben Bühnenwerken beispielsweise auch die Filmmusik zu Hitchcocks Klassiker Shining schrieb, bediente sich des Stoffes circa 16 Jahre später und so entstand mit Die Teufel von Loudun seine erste Opernkomposition.

© Wilfried Hösl

Regisseur Simon Stone setzt in seiner Inszenierung auf Aktualität – eine Geschichte aus der Frühen Neuzeit im Gewand des 21. Jahrhunderts. Er macht damit passend darauf aufmerksam, dass einige Problematiken von vor 400 Jahren im Kern nach wie vor bzw. wieder präsent sind. Besonderes Augenmerk legt er hierbei auf die Rolle der weiblichen Sexualität. In einer großangelegten Szene reißen sich die Nonnen, da von teuflischen Mächten besessen, die Kleider vom Leib. Sie kreischen, berühren sich, küssen sich. Auf ihren Körpern prangen die Leitsätze der feministischen Aufklärung. „My body, my rules!“ – noch immer wird Weiblichkeit sowie weibliche Lust unterdrückt. Nach wie vor scheinen Männer diese kontrollieren, eindämmen zu wollen, um ihre Machtposition in einem patriarchalen Geflecht nicht zu verlieren. Im Stück wird dieses Ausleben der weiblichen Sexualität einer Besessenheit vom Teufel gleichgestellt. Die Frauen müssen errettet, befreit werden von derart unzüchtigem Verhalten. Und wer soll ihnen dabei helfen: die Männer selbstverständlich.

Pendereckis von Klangflächen und Tonclustern durchgezogene Musik fügt sich wunderbar mit dem Geschehen auf der Bühne zusammen. Sie fängt passend die düstere, horrorfilmartige Atmosphäre, die sich auch durch den kalten, kantigen Bühnenbildkomplex transportiert, ein. Die Sänger*innen versuchen weniger durch die Musik miteinander zu kommunizieren, vielmehr werden ihre Stimmungen durch die Geräusche und Klänge vermittelt und verstärkt. Kurze prosaische Szenen brechen das Musikalische immer wieder auf und ermöglichen direkte Kommunikation, bevor sich das Geschehen wieder in eine vielschichtige Klangwelt aus unterdrückten Gefühlen und düsterer Atmosphäre verwandelt. Besonders die Protagonistin Jeanne, gesungen von Ausrine Stundyte, lässt sich unfassbar stark und mitreißend von den Stimmungen, die die Musik ihr bietet, leiten. Sie wird so zur top-besetzten Zentralfigur, deren lebhafter Umgang mit den verschiedenen Emotionen das Stück über weite Teile hinweg trägt.

© Wilfried Hösl

In der Musik entfaltet sich zudem eine gewisse Komik, die in Verbindung mit den beiden Figuren Adam (Kevin Connors) und Mannoury (Jochen Kupfer) steht. Ein Apotheker und ein Arzt, die sich trotz ihrer naturwissenschaftlichen Ausbildung in Erklärungswelten voller Hexerei und Teufelswerk verstricken. Stone inszeniert sie in klassisch-komischer Manier à la „Dick und Doof“: der eine hochgewachsen und schlaksig, der andere klein und rundlich. Ihre Detektivarbeiten den Pfarrer Grandier betreffend sind absolut unprofessionell, ihr Hass auf ihn bloß eine leere Hülle aus Eifersucht. Sobald sie die Bühne betreten, erklingen kurze, prägnante Tonsprünge, die passend den unterschwelligen Humor ihrer Szenen nach außen tragen. „Ein guter Horrorfilm besteht zur einen Hälfte aus Humor und zur anderen aus Horror“, sagte Regisseur Stone im Interview mit der Bayerischen Staatsoper. Die komischen Seiten der Oper erinnern uns daran, dass das Gesehene nicht die echte Welt ist, wir sehen nach wie vor eine Fiktion. Trotzdem liegt es an uns, diese Fiktion nicht Realität werden zu lassen. Zu viele Parallelen finden sich in dieser Geschichte aus dem 17. Jahrhundert und unserer heutigen Gesellschaft. Simon Stone gelingt es besonders diesen Aspekt in seiner Inszenierung gekonnt hervorzuheben und so verwandelt er Pendereckis Werk in ein feministisches, politisches Statement – Zeilen, die man nicht häufig über eine nicht-weibliche Regiearbeit liest. Hut ab!

Besuchte Vorstellung: 7. Juli 2022

Kritik: Rebecca Raitz