„I can have it all!!“ – „Children of Tomorrow“ im Volkstheater (Kritik)

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Zum Abschluss von Radikal Jung stand am letzten Tag des Festivals (neben „Ja EH! Beisl, Bier und Bachmannpreis“) mit „Children of Tomorrow“ auch noch ein Stück auf dem Programm, das bereits am 13. Dezember 2017 Premiere am Münchner Volkstheater feierte.

© Gabriela Neeb

Auf der kleinen Bühne wird das Gesellschaftsmodell der Familie, vor allem der modernen Kernfamilie, dabei äußerst facettenreich und letztlich schonungslos auf den Prüfstand gestellt. Das etwa 70-minütige Stück von Tina Müller und Corinne Maier spielt mit Klischees und Konventionen, wirkt oft leicht und heiter, und schafft es doch mühelos, einer ganzen Generation den Spiegel vorzuhalten.
Mit Julia Richter, Pola Jane O’Mara, Mehmet Sözer und Oleg Tikhomirov ist das Stück ausgezeichnet besetzt. Ihre Freude an der lockeren Kinderzimmeratmosphäre und dem buchstäblichen Heimspiel nimmt das Publikum nur allzu gerne in sich auf. Als äußerst glaubwürdige Stellvertreter junger Paare entwickeln sie Visionen, kreieren Wunschbilder und lassen sie schließlich wieder zerfallen.

© Gabriela Neeb

Von den Helikopter-Eltern, die sich um alles – um absolut alles!!! – kümmern wollen, nur um dann in der daraus resultierenden Totalüberforderung zu enden, bis hin zu einer Erziehungsmethode, bei der sich das Kind am Ende selbst sozialisiert, wird die komplette pädagogische Bandbreite durchexerziert. Natürlich möchte man dem Kind alles bieten, um es in seiner Entwicklung bestmöglich zu fördern, andererseits aber auch auf nichts verzichten – „I can have it all!“. Irgendwann steht Oleg Tikhomirov, im Szenario des Übervaters, beladen mit einem Berg von Büchern, einer PlayStation, einer (Spielzeug-)Gitarre und jeder Menge Krimskams auf der Spielfläche der kleinen Bühne und wird zum Sinnbild eines „lebensfeindlichen Kleinfamilienlebens“, bei dem jede Generation unter der Bürde seiner Rolle eigentlich nur scheitern kann.

Dass bei aller Emanzipation die Aufgabenverteilung der Geschlechter noch immer recht einseitig verteilt ist, wird dabei ebenfalls zum Thema und, trotz Augenzwinkern, durchaus kontrovers diskutiert. Natürlich gönnt man der Frau auch ihren beruflichen Erfolg, aber andererseits können Männer nun mal „von Natur aus“ nicht stillen. Ist unser Glaube an die Gleichberechtigung der Geschlechter am Ende nicht mehr als eine Art von Selbstlüge? Haben wir’s andererseits vielleicht mit der Emanzipation übertrieben?

© Gabriela Neeb

Traurig (?), aber wahr: die Familie hat heute als soziales und emotionales Fundament der (Wohlstands-)Gesellschaft mehr und mehr ausgedient. Für viele zwar noch immer ein Ideal, steht sie nichtsdestotrotz allzu oft in Konkurrenz, um die mannigfaltigen „Freiheiten“ und Errungenschaft unserer modernen Welt möglichst vollumfänglich ausschöpfen und „genießen“ zu können.
Das Kind hingegen ist auf dem besten Wege zum Statussymbol zu werden, das nach der Karriere, dem passenden, vorzeigbaren Partner und dem dazugehörigen Haus, die letzte Stufe auf dem Weg zur ultimativen Selbstverwirklichung darstellt.

Fazit: Frisches, kurzweiliges und vor allem tiefgründiges Stück, fraglos eines der Höhepunkte des diesjährigen Festivals für junge Regie.

Kritik: Hans Becker