Learn To Live – Bad Wolves im Backstage Club (Konzertbericht)

Die Geschichte des rasanten Aufstiegs der Bad Wolves könnte einem Film-Drehbuch entstammen: Die Metal-Band aus L.A. hatte eine Cover-Version von „Zombie“, dem Überhit der Cranberries aufgenommen; und den unverwechselbaren Gesang des Stückes sollte Cranberries-Stimme Dolores O’Riordan höchstselbst beisteuern. An genau dem Tag der geplanten Aufnahme wurde O’Riordan mit nur 46 Jahren tot aufgefunden. Wen der Youtube-Algorithmus auch nur entfernt als Rock/Metal-affin einstuft, weiß ohnehin, was weiter passierte: Bad Wolves veröffentlichten Zombie als reine Cover-Version und erzielten einen ganz unwahrscheinlichen Erfolg, den sie in Form einer Viertelmillionenspende an O’Riordans Hinterbliebene weitergaben.

Dass die Band, die erst seit zwei Jahren existiert (auch wenn alle Mitglieder schon auf langjährige Erfahrungen mit anderen Bands zurückschauen können) und ein einziges Album im Gepäck hat, offenbar eine Saite in der kollektiven Mainstream-Metal-Seele in Schwingung versetzt hat, beweist die Tatsache, dass das Münchner Konzert der Bad Wolves am 24. Juni 2019 im Backstage Club bereits im Vorfeld ausverkauft ist.

Quelle: https://kj.de/images/pics/5061.jpgWer ‚Backstage Club‘, ‚Ausverkauft‘ und Hochsommer zusammenzählt, kann sich sicherlich ausrechnen, dass dieses Konzert eine verschwitzte Affäre ist. Die ist es auch schon beim Auftritt der hiesigen Supporter Tenside, die nichts anbrennen lassen und in puncto klanglicher Brachialität im Vergleich mit Bad Wolves sogar die Nase vorne haben. Das sichtlich bewegungsfreudige Publikum lässt sich auch nicht lange zum Springen und Im-Kreis-Marschieren auffordern. Allerdings wirkt die Band, und allen voran Sänger/Gitarrist Daniel Kuhlemann im allgemeinen Auftreten (keineswegs in Spiel und Gesang), leicht unmotiviert und zu routiniert, sodass man sich ob des Folgenden fragen kann, wessen Heimspiel dieses Konzert eigentlich ist.

Bad Wolves am 15.10.18 in der TonHalle

Um 21 Uhr starten Bad Wolves markant mit „Learn to Live“, Sänger, und alleiniger Protagonist des Abends, Tommy Vext, springt ausgelassen in seinem Bühnenbannkreis herum, lädt zur Bewegung ein. Während der ersten Songs hält die Band dieses Tempo, dann drängt sich Vexts Kommunikation mit dem Publikum zunehmend in den Vordergrund. Er erzählt von der Geschichte der Band, seinem persönlichen Schicksal, das ihn einmal in einen Suizidversuch getrieben habe, er erbittet Frohseinsbekundungen, und dass man sich umarme (here‘s to awkwardness), dass man sein Shirt abnehme, dass die Frauen auf den Rücken der Männer reiten, dass man eine Mini-Wall of Death veranstalte, dass man Feuerzeuge schwenke und so weiter. Über all diesen – im Übrigen und Allgemeinen mehr als folgsam und freudig ausgeführten – Animationsaktivitäten verplätschert die zweite Hälfte des Konzerts ein wenig. Nicht zuletzt in Schweiß: Es ist tatsächlich äußerst stickig, was nicht wenige Besucher außerplanmäßig vor die Tür treibt.

Ihr eigenes quantitativ noch dürftiges Material stockt die Band mit einem Cover-Medley auf, bei dem Queens of the Stone Age, System of a Down, Nirvana und Rage Against the Machine unter den Hammer kommen – und zu guter Letzt setzt es natürlich das „Zombie“-Cover.

Nach nur einer Stunde ist die Band am Ende angekommen, aber allein die physischen Rahmenbedingungen rechtfertigen dieses kompakte Set und halten vom Insistieren auf eine Zugabe ab.

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Allein: Auch wenn zum offenbaren Entzücken eines Gutteils der Zuhörerschaft dieses Konzert voll war mit Denk- und Dokumentationswürdigkeiten, so bleibt doch kaum Substantielles haften. Spielerisch geht die Band höchst professionell zu Werke, Vext bemüht sich auch gesanglich, die Studioversionen genau wiederzugeben, die Songs sind eingängig und oft mitsingtauglich, und selbst das allgemeine Narrativ des Konzerts (don‘t kill yourself, have a good time, with friends, family, and music etc. etc.) greift ein momentan äußerst populäres Vokabular und gefällige Signifikanz-Garanten auf – womit die persönliche Lebens- und Leidensgeschichte aller Beteiligten keineswegs angerührt werden soll; es muss wohl immer irgendjemand mit seiner existentiellen Echtheit als Zeuge unserer unsicheren Selbstkonstruktionen auftreten.

Setlist: Learn to Live / No Masters / Jesus Slaves / Remember When / Better the Devil / Run for Your Life / Shape Shifter / Truth or Dare / No One Knows (QotSA) / Chop Suey (SOAD) / Breed (Nirvana) / Freedom (RATM) / Officer Down / Hear Me Now / Zombie (The Cranberries)

Bericht: Tobias Jehle