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¡Viva la revolución! – „Carmen la Cubana“ im Deutschen Theater (Kritik)
Eine Inszenierung der „Carmen“ auf die Bühne zu bringen und dabei das Publikum mit Innovationen und neuen Facetten zu überraschen, ist heute sicher ein ambitioniertes Unterfangen. Schließlich gehört Bizets Welterfolg zu den meistgespielten Bühnenstücken überhaupt und hat im Laufe seiner 150-jährigen Historie ein Spektrum unzähliger Variationen und Spielformen hervorgebracht. Von der klassischen Oper zur Eis-Revue, vom Flamenco-Tanzfilm zur Hip-Hop-Fassung; von Plácido Domingo und Paco de Lucia zu Katarina Witt und Beyoncé: Das Werk, das ursprünglich auf den französischen Schriftsteller Prosper Mérimée zurückgeht, lässt in seinem Repertoire kaum einen Wunsch offen! Dessen ungeachtet ist der Zauber des Stückes noch lange nicht verflogen. Gerade 2018 ist wieder ein „Carmen“-Jahr, wie die Neufassungen…
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Auf Zeitreise zwischen Euphrat und Tigris – „Ur“ im Marstall (Kritik)
Wüstensand rieselt durch die Decke und das Bühnenbild, angelehnt an altertümliche Monumentalarchitektur, entführt das Publikum gleich zu Beginn der Premiere von ‚Ur‘ in die Welt der sagenumwobenen Hochkultur der Sumerer. Dort, im Süden Mesopotamiens, haben deutsche Forscher im Namen Wilhelms II. nicht nur die Aufgabe, nach den Ursprüngen des Christentums zu suchen, sondern auch nach vermeintlichen Beweisen, die das Deutschtum per se als Kriterium der Überlegenheit historisch legitimieren. „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“, wird nicht umsonst im Kaiserreich propagiert. Jedoch sind die Funde und ihre Lesart, das wird schnell deutlich, keineswegs frei von Interpretationsspielräumen. Schon früh verfängt sich das Team der Wissenschaftler um Friedrich Delitzsch (Gunther Eckes) und…
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‚Nichts ist gut genug!‘ – „Vom Fischer und seiner Frau“ im Deutschen Theater (Kritik)
Eine Kindheit ohne die Märchensammlung der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm? Völlig undenkbar! Seit über 200 Jahren gehören die phantastischen Geschichten zu den populärsten und schönsten Erzählungen der deutschen Literatur und begeistern mit ihren längst unsterblich gewordenen Figuren gleichermaßen Jung und Alt. Zu den beliebtesten Werken gehört dabei fraglos das Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“, das im frühen 19. Jahrhundert von Philipp Otto Runge niedergeschrieben wurde. Im Rahmen der Brüder Grimm Festspiele in Hanau wurde die Geschichte in ein frisches Gewand gekleidet und im vergangenen Jahr als Musical in einer neuen Variante überaus erfolgreich uraufgeführt. Das Deutsche Theater präsentiert das preisgekrönte Stück nun bis zum 12. August auch für…
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Nukleare Narben – „Bis ans Ende ihrer Tage“ im Marstall (Kritik)
26. April 1986 – im Kernkraftwerk Tschernobyl kommt es nach Explosionen im Reaktor 4 zur ultimativen nuklearen Katastrophe. In einem Radius von mehr als 30 km entsteht eine für Menschen gänzlich unbewohnbare Todeszone. Mehr als 300.000 Bewohner müssen evakuiert und umgesiedelt werden, die Zahl der Erkrankten und Getöteten lässt sich bis heute nicht benennen. 26. März 2011 – der atomare Ritt auf der Rasierklinge lässt, ausgelöst durch einen gewaltigen Tsunami, im japanischen Fukushima ein neues, düsteres Endzeitszenario entstehen. Die ohnehin nicht gerade harmonische Co-Existenz von Mensch und Natur erlebt einen weiteren apokalyptischen Tiefpunkt. „Bis ans Ende ihrer Tage“ aus der Feder des aus Hong Kong stammenden Dramatikers Pat To Yan…
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„One soma a day keeps the sadness away!!“ – „Schöne neue Welt“ im Volkstheater (Kritik)
Ein System, in dem es keine Äußerung mehr gibt, die von der vorgegebenen Leitlinie der Regierung abweicht, Meinungskonformismus statt -pluralismus, ein Konsortium aus Staat, Wirtschaft und Medien kontrolliert und manipuliert das Leben eines jedes Einzelnen von Geburt an…und die Gesellschaft akzeptiert es nicht nur, sondern berauscht sich an sich selbst, am dargereichten Wohlstand und Konsum! Willkommen in der schönen neuen Welt!!! Aldous Huxley entwarf dieses Szenario einer konditionierten und korrumpierten Einheitsgemeinschaft in seiner Dystopie „Brave New World“ bereits im Jahre 1932 und erkannte im Nationalismus und der Entwicklung zur Überbevölkerung die bedeutsamsten Gefahren für die Auflösung demokratischer Prinzipien und damit den Weg in eine totalitäre Struktur, in der jede Freiheit…
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„I can have it all!!“ – „Children of Tomorrow“ im Volkstheater (Kritik)
Zum Abschluss von Radikal Jung stand am letzten Tag des Festivals (neben „Ja EH! Beisl, Bier und Bachmannpreis“) mit „Children of Tomorrow“ auch noch ein Stück auf dem Programm, das bereits am 13. Dezember 2017 Premiere am Münchner Volkstheater feierte. Auf der kleinen Bühne wird das Gesellschaftsmodell der Familie, vor allem der modernen Kernfamilie, dabei äußerst facettenreich und letztlich schonungslos auf den Prüfstand gestellt. Das etwa 70-minütige Stück von Tina Müller und Corinne Maier spielt mit Klischees und Konventionen, wirkt oft leicht und heiter, und schafft es doch mühelos, einer ganzen Generation den Spiegel vorzuhalten. Mit Julia Richter, Pola Jane O’Mara, Mehmet Sözer und Oleg Tikhomirov ist das Stück ausgezeichnet…
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Öffnet Euer Herz! – „Orfeo – eine transkulturelle Oper“ im Hofspielhaus
Die Themenbereiche Migration und Integration bestimmen auch 2018 wieder die Schlagzeilen der Medien und setzen zweifellos die Agenda in den öffentlichen Debatten. Gerade die neue Stadtgesellschaft zeichnet sich inzwischen durch Diversität und kulturelle Vielfalt aus; eine Entwicklung, die sich jedoch in einer Institution wie dem Theater bislang erst ansatzweise widerspiegelt. Nicht umsonst unterstützt z.B. auch die Kulturstiftung des Bundes zahlreiche Einrichtungen, um dadurch einen strukturellen Wandel zu Gunsten von interkultureller Permeabilität voranzutreiben. Auch der bereits im Jahr 2014 in Stuttgart gegründete Verein Zuflucht Kultur sieht in der Förderung kultureller Projekte unter Einbeziehung aller hier lebenden Nationalitäten einen Schlüssel zur Verständigung der Menschen, unabhängig von Herkunft und Ethnie, und damit eine…
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Soll das Töten immer weitergehen? – „Die Attentäterin“ in den Münchner Kammerspielen
Als Mohammed Moulessehoul unter dem Pseudonym Yasmina Khadra 2005 sein Buch „Die Attentäterin“ veröffentlichte, hatte der islamistische Terror bereits Europa erreicht. Spätestens mit den verheerenden Anschlägen von Madrid und London hatte sich die Bedrohung durch den religiösen Fanatismus als Gefahr für die gesamte westliche Welt konkretisiert und war kein Phänomen mehr, das sich auf den Nahen und Mittleren Osten reduzieren ließ oder auf einen Krieg zwischen den USA und al-Qaida. Durch die Entwicklungen der letzten Jahre aber, dem weltweiten Terror des IS, dem es gelang, auch zahlreiche junge Frauen aus Europa zu rekrutieren, ist das sensible Thema des Romans heute sogar noch näher, brisanter und aktueller denn je. Khadras Attentäterin…
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Liebe deinen Nächsten wie dich selbst – Mein Kampf im Münchner Volkstheater
Der 27. Januar hält als Holocaust-Gedenktag die Erinnerungen an die Gräueltaten des NS-Regimes am Leben. Passend dazu steht nun am Münchner Volkstheater George Taboris Drama „Mein Kampf“ auf dem Spielplan, die Groteske um Hitlers „Freundschaft“ mit dem Juden Schlomo Herzl, (fiktiver) Auslöser jener Katastrophe, die in einem Männerwohnheim in Wien ihren Anfang und erst in einem Bunker unter der Reichshauptstadt Berlin ihr Ende finden sollte. Schon zu Beginn der über zweieinhalbstündigen Inszenierung (mit Pause) stehen die Zeichen auf Unheil. Das Bühnenbild zeigt ein äußerst karges Kellerasyl, das sich lediglich über eine verwitterte Holztreppe erreichen lässt – eine Absteige im wahrsten Sinne des Wortes. Perfekte Kulisse für ein Kammerspiel der besonderen…
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„Jede Figur ist auf ihre Art erzählenswert“ – Interview mit Luise Kinner
Spätestens mit ihrer Rolle als Mercutio in der Neuinszenierung von ‚Romeo und Julia‘ am Münchner Volkstheater hat sich Luise Kinner in der Münchner Theaterszene einen Namen gemacht. Die Bayerische Staatszeitung bezeichnete ihren Auftritt bei der Premiere sogar als „schauspielerische Sensation des Abends“. Nun ist auch das Fernsehen auf die gebürtige Kielerin aufmerksam geworden, so stand sie u.a. für die ZDF Kult-Krimi-Reihe „Der Alte“ vor der Kamera. Weitere Angebote dürften folgen… Grund genug, sich einmal mit der aus Norddeutschland stammenden Schauspielerin zu unterhalten! Unser Redakteur Hans Becker hat sich mit der sympathischen Charakterdarstellerin getroffen, um Interessantes aus ihrem Leben, der Theaterbranche allgemein und der Beziehung zur Stadt München zu erfahren. Kultur…