Mit Arabella Steinbacher und dem London Philharmonic Orchestra stehen am 10. Dezember 2018 zwei Größen der klassischen Musik auf der Bühne der Münchner Philharmonie.
Das Konzert beginnt medias in res mit dem Violinkonzert von Johannes Brahms, das mit technischen Schwierigkeiten nur so gespickt ist. Brahms, der selbst mit der Technik der Geige nicht allzu vertraut war, komponierte einfach drauf los, ohne auf die tatsächliche Spielbarkeit seiner Einfälle zu achten – ausbaden dürfen es seitdem alle ViolinistInnen. Auch wenn sein enger Freund, der Geiger Joseph Joachim, ihm gut zuredete und einige Stellen technisch vereinfachen lassen wollte, der Großteil der Partitur entspricht noch voll und ganz Brahms.
Die Londoner Philharmoniker überzeugen von Beginn an mit einem sehr vollen, homogenen Klang, der den symphonischen Charakter des Konzerts bestens illustriert. Als die Violine dann mit den aufsteigenden Quintolen und den markanten Oktaven zum ersten Mal einsetzt, projiziert Arabella Steinbacher den Ton leider noch nicht in Richtung des Publikums, eher zum Orchester hin. Dadurch geht diese eindrucksvolle erste Phrase etwas verloren, doch diese Zurückgezogenheit löst sich schnell und Steinbacher beeindruckt durch einen dramatischen, klagenden Klang. Besonders bemerkenswert ist ihre perfekte Mischung aus freiem Tempo und dem genauen Spiel im Takt. So wird das Werk nicht übermäßig weinerlich und pathetisch, behält jedoch einen guten Schuss von Brahms‘ Schwermut und Melancholie. Steinbacher zelebriert die Phrasen geradezu, insbesondere in den höheren Lagen.
Als Kadenz wählt die Solistin nicht die bekannteste von Joseph Joachim, sondern das Pendant aus der Feder von Fritz Kreisler. Wunderbar, wie sie damit alleine den ganzen Saal füllt. Viele Klangfarben und ein kräftiger, beherzter Ton lassen einen fast meinen, es wäre eine Gruppe von Geigern und keine einzelne Solistin. Besonders ihre Doppelgriffe sind während des gesamten Konzerts sehr voll und energetisch.
Im zweiten Satz wäre teilweise ein wärmerer Klang wünschenswert. In den romantisch-langgezogenen Kantilenen wirkt Steinbachers Ton fast dünn und kalt. Abgesehen davon kommt gerade an diesen langsamen Stellen heraus, welche Einheit Solistin und Orchester bilden. Spätestens an dieser Stelle sei Jaime Martin erwähnt, der Dirigent des Abends, der kurzfristig für Sir Roger Norrington eingesprungen ist, nachdem dieser erkrankt war. Dass er nur „Springer“ ist, merkt man in keiner Sekunde des gesamten Konzerts.
Die Terzen, die den dritten Satz einleiten, kommen dank Steinbachers schon erwähnten deutlich gespielten Doppelgriffen optimal zur Geltung. Dieses Thema wird anschließend vom Orchester übernommen, das nicht nur in dieser Passage mit seinem prachtvollen Forte begeistert und dieses symphonisch anmutende Werk ganz groß macht.
Bei der Zugabe taucht Fritz Kreisler noch einmal auf: als Arabella Steinbacher sein Rezitativo & Scherzo höchst virtuos und ausdrucksvoll spielt – und so schließt sich auch hier wieder ein Kreis.
Nach der Pause ist einmal mehr Ludwig van Beethoven an der Reihe – mit seiner Fünften Sinfonie. Die Londoner Philharmoniker erstaunen dabei erneut mit ihrem einheitlichen Klang. Wenn die Imitationen durch die verschiedenen Instrumentengruppen wandern, entsteht wirklich der Eindruck einer Welle, die lückenlos durch das Orchester geht. Jaime Martin wählt ein recht flottes Tempo für den ersten Satz, was sehr erfrischend für den bekanntesten Teil dieser Sinfonie ist. Das Orchester spielt extrem rhythmisch und differenziert, Martin seinerseits gibt die Einsätze mit großer Vitalität und Energie. Der letzte Satz der „Schicksalssymphonie“ wird oft als Befreiungsschlag, als erlösendes Licht nach dem Dunkel gesehen. Die Kraft von Orchester und Dirigenten setzt diese Interpretation in diesem Fall vollkommen in Musik um.
Kritik: Bea Mayer