Be All, End All – Anthrax im Backstage Werk (Konzertbericht)

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Die Kleinen, heißt es, sind ja dann doch meistens die besseren und passionierteren Bands. Ob man bei Anthrax überhaupt noch von einer „kleinen“ Band sprechen kann, ist zweifelhaft – betrachtet man sie allerdings im Kontext der „Big 4“, denen die New Yorker Metaller ebenso angehören, stimmt das definitiv. Aber auch wenn ihre Kollegen Metallica, Slayer und Megadeth deutlich größere Hallen oder gar Stadien bespielen, sind Anthrax letztendlich dafür bekannt, mit so viel Leidenschaft wie kaum eine andere Band zu musizieren, was wir zuletzt im vergangenen Jahr in der Olympiahalle feststellten. Nun kamen die Herren für eine Headliner-Show am 6. August 2019 ins Backstage Werk – mit dabei die neuseeländischen Aufsteiger Alien Weaponry.

Diese sind es auch, die pünktlich um 20 Uhr mit etwas eigenartigen Stammesschreien auf der Bühne loslegen, schnell aber zum Opener „PC Bro“ wechseln. Die Musik von Alien Weaponry – sicherlich ihr größtes Steckenpferd – ist mächtiger und gewaltiger Groove Metal. Eine wahre Riff-Gewalt ist es, die jeden Song durchströmt und selbst skeptische Alt-Metaller äußerst schnell zum fleißigen Headbangen bewegen. Teilweise erinnern die definierten und stampfenden Rhythmen an Pantera, dann wieder an Machine Head, aber spätestens bei melodischen Refrains wie „Blinded“ und „Kai Tangata“ an nichts mehr von alledem. Das Besondere an dem Trio an Neuseeland ist zweierlei: einerseits singen sie teilweise in Māori, einer traditionellen und kaum gesprochenen Sprache, andererseits (und das ist wohl das kurioseste) sind die Jungs blutjung. Frontmann Lewis de Long ist erst im April 17 Jahre jung geworden, sein Bruder Henry am Schlagzeug zählt 19 Jahre. Mit dem Wissen, dass Alien Weaponry bereits seit zwei Jahren international unterwegs und dabei musikalisch so ausgefeilt sind, wie es nicht mal jahrzehntelang etablierte Institutionen schaffen, kann man einfach nur noch lautstark applaudieren. Oder viel besser: headbangen.

Setlist: PC Bro / Holding My Breath / Nobody Here / The Things That You Know / Blinded / Ahi Ka / Kai Tangata / Raupatu / Rū Ana Te Whenua

Anthrax am 29.11.18 in der Olympiahalle

Ein so mächtiger Einstieg ist bekanntlich schwer zu toppen – aber wer Anthrax kennt, ist sich dessen bewusst, dass sie es problemlos schaffen können. So tasten sich die Musiker beim Opener „Caught In A Mosh“ zwar lautstark, aber noch relativ verhalten an das Münchner Publikum heran – bevor sie im Folgenden schlichtweg explodieren. Frontmann Joey Belladonna, Stimmgewalt und Entertainer par excellence, macht seinem Ruf alle Ehre, spielt sich durchgehend mit dem Münchner Publikum, schäkert ein wenig mit Fotografen, gestikuliert mit einigen Fans wild umher und lächelt. Er lächelt das gesamte Set hindurch. Die Zuschauer geben ihm allen Grund dazu – große Moshpits, extrem laute Mitsing-Chöre und ebenso motivierte Harcore-Fans wie Bandmitglieder. So einen Kochkessel bemerkt auch Mastermind Scott Ian schnell. „Bayern ist wie bei uns Texas. Und das ist ein Kompliment. Es heißt, dass ihr eine absolut verrückte Menge seid!“ Etwas sperrig. Wir ziehen mal das Beste daraus.

Anthrax am 29.11.18 in der Olympiahalle

Doch in all der Leidenschaft und Passion in ihrer Musik scheinen die Herren etwas die Relation vergessen zu haben – bereits nach zehn Songs werden die Zugaben eingeläutet, der letzte Song „Indians“ endet um 22:40 Uhr. 80 Minuten Konzert, Schluss, Ende. Fraglos, die pausenlos angeheizte Menge hat einiges bekommen und ist konditionell sicherlich versorgt – dennoch stehen der Preis von 42€ und die recht kurze Spielzeit in verzerrtem Verhältnis. Klassiker wie „Madhouse“ und das legendäre „Got The Time“-Cover sind letztendlich allerdings genauso vertreten wie selten gespielte Perlen, beispielweise „Now It’s Dark“ und „Be All, End All“. Natürlich, bei zwölf Titeln vermisst man so gut wie jede Nummer – nichtsdestotrotz bleibt ein schwitziges, energetisches Konzert, was ein weiteres Mal beweist, dass Anthrax die eigentlich ganz Großen bei den „Big 4“ sind.

Setlist: Caught In A Mosh / Got The Time (Joe Jackson cover) / Madhouse / Be All, End All / Breathing Lightning / I Am The Law / Medusa / Now It’s Dark / In The End / A.I.R. – Zugaben: Antisocial (Trust cover) / Indians

Bericht: Ludwig Stadler