Ausbruch aus der Vorstadt – „American Idiot – Das Musical“ in der TonHalle (Kritik)

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Als vor einigen Jahren das „American Idiot“-Musical auf dem Broadway in New York lief und auf eine erfolgreiche Reihe von Aufführungen zurückblicken kann, erklingen überall auf der Welt die Stimmen, dass man das Musical doch auch dort aufführen solle. Kein Wunder, denn die Bühnenwerdung des absoluten Kult-Albums von Green Day ist ein fantastischer Kompromiss für Musical-, aber auch Rock-Liebhaber. Was für eine Meldung also, dass das Stück letztes Jahr in Frankfurt deutschsprachige Erstaufführung feierte. Noch schöner nur die lokal noch spannendere Nachricht: am 12./13. Januar 2019 gastiert das Musical für ein Gastspiel in der TonHalle München.

Die bestuhlte und gut gefüllte TonHalle sieht dann letztendlich auch genauso aus, wie man es sich vorgestellt: eine bunte Mischung aus Band- und Theater-Publikum, manchmal vielleicht auch beides. Und beide Parteien dürften wohl schlussendlich zufrieden die Halle wieder verlassen, denn die rund 90-minütige Vollgas-Show feuert Green Day-Hits und Choreografien im Dauertempo ab. Der für viele vielleicht größte Kritikpunkt: die deutsche Übersetzung der Texte. Diese ist allerdings überraschend gut und wenig störend gelungen, wenngleich man sich natürlich darauf einlassen und sich klarmachen muss, dass einem also nicht die altbekannten Versionen der Klassiker erwarten – denn instrumental wurde an den Songs nichts verändert, maximal ein verstärkter Einsatz des Cello, das einzig neue Instrument, das hinzugefügt wurde.

Die sechsköpfige Band, links und rechts auf dem Podest verteilt, spielt so interaktiv, dass der Gitarrist kurzerhand von den Darstellern in die Show miteinbezogen wird – was sinnbildlich für die gesamte Show steht. Es geht rasant von einer Szene zur nächsten, Lukas Sandmann als Johnny singt sich energisch durch die gesamte Diskografie, kann aber vor allen in den Höhen überzeugen. Sein Weg aus der Vorstadt heraus führt in die Drogenhölle. Seine beiden Kumpanen Tunny, gespielt von Sebastian Smulders, und Will, dargestellt von Alexander Sasanowitsch, entscheiden sich für andere Lebensentwürfe – der eine geht den Weg als amerikanischer Soldat, der andere versauert als Alkoholiker in heimischen Mauern. Was alle eint: sie verlieren die Liebe ihres Lebens. Und so singt und tanzt sich das Ensemble durch die Gefühlslagen und schafft, trotz faktisch nicht vorhandener Bühnenelemente, durchgehend ein interessantes und spannendes Bild.

Trotz der fraglos starken Show lassen Kleinigkeiten das sonst recht positive Bild trüben. Die Stuhlreihen sind zwar zahlreich, aber leider allesamt nicht versetzt – die Sicht dabei vor allem hinten immer schwieriger und schlimmer. Dazu kommt, dass die Boxen etwas spärlich angebracht wurden und nur weiter vorne ein Gesamt-Soundbild ankommt, das einem Rock-Musical gerecht wird. Weiter hinten bleibt dabei, zusätzlich zur Sicht, nur ein Rätselraten, welche Texte da gerade gesungen werden. Das mag womöglich noch am Unwissen des Veranstaltungsortes liegen und kann nächstes Mal problemlos behoben werden, verärgert aber letztendlich doch. Allgemein eignet sich die TonHalle nicht so wunderbar für Musicals – bei den Zuschauern stellt sich nie so wirklich ein Theatergefühl ein, die Lüftungsanlage bläst teils lauter als die Musik und Etliche wandern auch während des Musicals durch die Halle anstatt für die 90 Minuten sitzen zu bleiben. Das haben weder Cast noch Band noch das Kreativteam verdient, die ganze Arbeit geleistet und mit „American Idiot“ endlich ein längst überfälliges Stück nach Deutschland gebrachten haben!

Kritik: Ludwig Stadler