Wie Zuhause – Alligatoah im Zenith (Konzertbericht)

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Der Fuchs schaut auf, der Büffel gähnt – Alligatoah hat sich zurückbequemt! Nach seinem letzten Besuch im Herbst 2017 mit der Akkordarbeit-Tour kehrt der Musik-Barde nun mit voller Band und neuer Show zum aktuellsten Machwerk „Schlaftabletten Rotwein V“ zurück. Den Samstag, 19. Januar 2019 hat er sich auserkoren – und etliche Fans auch, denn die Karten waren rasend schnell vergriffen und die Suchanzeigen zahlreich. Doch all das Jammern und Klagen wurde nicht erhört – es bleibt bei einer einzigen Show im für den Rapper inzwischen wirklich schon zu kleinen Zenith. Der Einlass startet bereits irrsinnig früh um 17:30 Uhr, dem Wochentag geschuldet auch mit vielen wartenden Fans. Und angekommen in der Halle, bestenfalls im ersten Wellenbrecher, heißt es erst einmal: warten. Sehr lange warten.

Denn erst satte zwei Stunden später, um 19:30 Uhr, passiert überhaupt irgendwas auf der konstanten Bühne mit dem rot blinkenden Timer, der auf 23 steht. So viele Minuten hat Support Dazzle nämlich, bevor er den Platz für den Hauptact des Abends räumen muss. Der Rapper kommt gemeinsam mit DJ auf die Bühne und legt sofort mit einer riesigen Ladung Double-Time-Rap los. So recht ändert sich das auch nicht mehr – in den Strophen rast er nur so durch die Lyrics, während im Refrain meist ein äußerst tanzbarer Beat wartet. Mit dieser Kombination fährt Dazzle immens gut – wohl auch, weil er die Art des schnellen Raps perfekt beherrscht. Schade, dass seine teils ernsten und wichtigen Texte wie bei „Schlechter Einfluss“ kaum Anklang finden, da das Publikum damit beschäftigt ist, die altbekannten „BVB Hurensöhne“-Gesänge anzustimmen. Wieso genau auf einem Rap-Konzert so etwas passiert und so viele drauf einsteigen, bleibt fraglich. Dazzle beendet seinen Auftritt in jedem Fall erfolgreich um kommt am 8. März in die Rote Sonne München zurück.

Setlist: Kuduro Actions / Wann gehen wir los?! / Freestyle / Hunger / Schlechter Einfluss / Mach weiter

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Angenehm kurz gestaltet sich die Wartezeit, denn ganze sieben Minuten später, um 20 Uhr, verdunkelt sich die Halle wieder und es ist Zeit für den Mann mit den tausend Gesichtern und Genres: Alligatoah. Als kleine Huldigung für die Oldschool-Fans bringt er gleich zu Beginn den Terroristen, das Alter Ego des Rappers, indem er seinen Kopf durch eine große Sonnenblume durchstreckt. Ziemlich kompliziert, weshalb ein Blick links auf das Foto lohnt. Kurz danach fällt der Banner und gibt den Blick frei auf das irrsinnig aufwändige Bühnenbild. Der Musiker nimmt sein Tourplakat-Motiv ernst – und transportiert es kurzerhand auf die Bühne. Das „Hotel Kalliforniah“ ist zweistöckig, oben residieren Schlagzeug und DJ, im Erdgeschoss Klarinette und Gitarre. Mittendrin: Alligatoah itself und sein Backup BattleBoi Basti, dieses Mal ganz im Hotel-Stil als LiftBoi Basti. In der Mitte ist es auch die Drehbühne, die fast jeden Song ein neues Bühnenbild zaubert – jeweils andere Räume im Hotel, egal ob Bar, Suite, Sportraum, Keller oder Darkroom.

Dieses große Aufgebot an Show umfasst allerdings nur einen kleinen Teil des Konzeptes, das Lukas Strobel, wie der Musiker bürgerlich heißt, sich ausgedacht hat. Alligatoah ist keinesfalls ein rein musikalisches Projekt – neben den selbstentworfenen Musikvideos bezeichnet er sein Gesamtkonzept nicht grundlos immer als „Schauspiel-Rap“. Auf der Bühne verkörpert er immer eine Kunstfigur und macht sich dabei nicht angreifbar, zu keiner Sekunde. Natürlich, da singt ein begnadeter Musiker, ein fantastischer Sänger und Wortakrobat, ein supertighter Rapper und zugleich inzwischen auch wirklich starker Gitarrist – aber dennoch bleibt er dem Publikum weit entfernt. Es ist eben mehr ein musikalisches Theaterstück als waschechtes Konzert. Wahrscheinlich ist es aber genau das, was die jubelnden Fans daran lieben – die pure Abwechslung.

Musikalisch feuert Strobel etliche Stilrichtung, allen voran orientiert er sich aber dieses Mal am härteren Rock. Das sieht man allein daran, dass eine Wall Of Death und ein brodelnder Moshpit eben genauso wie die Mitsing-Parts dazu gehören – mit Liedern wie „Freie Liebe“, „Lass liegen“ und „Terrorangst“ geht das Headbangen aber automatisch. Absoluter Gipfel: der NuMetal-Kracher „Hass“. Hier fliegen dann sogar Schuhe über die Köpfe der Zusehenden und nicht wenige tänzeln ausgelassen zu den E-Gitarren-Klängen. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich auch ruhigere Momente mit u.a. „Trauerfeier Lied“ und „Du bist schön“, auch eine dieses Mal nicht ganz gelungene Neuinterpretation von „Namen machen“, aber den Großteil nehmen die frischen und doch härteren Nummern ein. Alligatoah bietet Kontrastprogramm in Reinform – das Publikum schätzt das, spendet reichlich Applaus und entlässt den Künstler nach „Wie Zuhause“, dem „Bohemian Rhapsody“ seiner Diskografie. Zwei Stunden pausenlose Energie – gerne wieder, Herr Gatoah!

Setlist: Oldschool Medley / Alli-Alligatoah / Wer weiß / Ein Problem mit Alkohol / Fick ihn doch / I Need A Face / Lass liegen / Freie Liebe / Beinebrechen / Trostpreis / Namen machen / Trauerfeier Lied / Meine Hoe / Terrorangst / Wo kann man das kaufen? / Hass / Meinungsfrei / Du bist schönZugaben: Nicht wecken / Willst du / Wie Zuhause

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Bericht: Ludwig Stadler
Fotos: Jule Haer