Tod und Trümmer – „7 Deaths Of Maria Callas“ in der Staatsoper (Kritik)

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Es war eine kleine Odyssee, beobachtet man den Entstehungsverlauf von „7 Deaths Of Maria Callas“ in den letzten Monaten. Eigentlich sollte das Performance-Oper-Projekt von Marina Abramović bereits um Ostern herum im April seine Premiere feiern, bevor es anschließend an die involvierten Opernhäuser von der Greek National Opera bis zur Opéra National de Paris weiterzieht. Dann kam Corona, die Zwangsschließung und ein langsames Zurücktasten an Kultur in Pandemie-Zitat im Juni. So kommt die Ankündigung, die Spielzeit 2020/2021 der Bayerischen Staatsoper verfrüht am 1. September 2020 zu beginnen und die ausgefallenen Premieren nachzuholen, doch überraschend, aber erfreulich.

© Wilfried Hösl

Kurz vor Beginn steigt die Kapazität auf 500 zugelassene Personen im Rahmen eines Versuchs. Damit kommen doch noch rund 2500 Personen in den Genuss, Abramovićs Performance zu sehen – knapp 30% dessen, was im April bereits restlos ausverkauft war. Aber gut, man muss das Beste draus machen und nebst der niedrigeren Kapazität funktionieren die Geschehnisse doch recht kompromissfrei. Rund 50 Personen sitzen im Orchester und spielen nicht nur die düstere, extra hierfür komponierte Musik von Marko Nikodijević, sondern auch immer wieder Szenen aus den insgesamt sieben Opern. Alle diese hat Maria Callas, Dreh- und Angelpunkt des Abends, gespielt, in allen diesen ist sie auf der Bühne gestorben. Genau diesen Tod stellt Abramović nun dar – sieben Mal in Videoform mit Hollywood-Schauspieler Willem Dafoe, einmal auf der Bühne. Dazu ertönt die zum Tod und der Oper passende Arie, jeweils live gesungen von sieben fantastischen Solistinnen. Vom lyrischen Sopran der Desdemona in „Otello“ bis zum Koloraturen-Feuerwerk als Lucia Ashton in „Lucia di Lammermoor“ hat sich Callas vielseitig durch das Repertoire gewagt– besonders in den Höhen immer wieder erfolgreich.

© Wilfried Hösl

Abramović interessiert sich dabei vor allem für ihre Tode. Während der Tenor fast schon obligatorisch stirbt, überlebt die ihm Zugetraute ebenso selten und stirbt manchmal auch vor, nach oder sogar mit ihm. Bis zur Live-Performance selbst bleibt der Bezug zu Callas aber nur mental. Die Todessequenzen haben eine Systematik inne, die mehr einem verbildlichten Konzert als einem Opernabend gleichen. Auch fehlt den Sterbeszenen oft Dramatik und Biss, der mit Kitsch kompensiert wird. Natürlich, eine Oper kommt nicht ohne Kitsch aus – aber hat Abramović den Anspruch, eine Oper aufzuzeigen oder doch ihr ganz eigenes Projekt? Letzteres kommt dabei jedenfalls raus, wenn der zwischen den Sequenzen auffunkende Himmel immer düsterer und düsterer wird und im nachgebauten Pariser Zimmer der Callas endet. Scheidung, Liebes-Aus, Karriere-Ende – Abramović versetzt sie in die Lage einer depressiven Seele mit gebrochenem Herzen. Dementsprechend liegt ebendiese in Form der serbischen Performer erstmal nur im Bett, dazu eingesprochene Stimmen aus dem Off und instrumentale Hinterlegung mit Chor aus den Seitenlogen. All das steigert sich, steigert sich, steigert sich ins Endlose, bis eine Vase zerbricht. Das Herz zerbricht, Callas tot. Der Weg dahin: etwas zögerlich, aber vor allem musikalisch großartig umgesetzt.

© Wilfried Hösl

Wer sich die Karte tatsächlich nur gekauft hat, um Marina Abramović auf der Bühne zu erleben, wird ernüchtert sein, denn die Performance selbst ist minimal. Mehr ist das gesamte Konstrukt zu sehen, die immer tiefer gehende Fahrt in die Psyche einer gebrochenen Frau. Insgesamt ein runder und prägnanter Abend, der vor allem mit großartiger Musik glänzt. Ob es der Kunst- und Musikszene neue Erkenntnisse gibt und ob es diese Fusion von Performance und Oper gebraucht hätte, das sei allerdings in Frage gestellt. Die Wirkung verfliegt mit dem Verlassen des Saals.

Ab Montag, 7. September 2020, 12 Uhr, für 30 Tage kostenfrei auf STAATSOPER.TV zu sehen!

Kritik: Ludwig Stadler