18:30 Uhr, Freitagabend, der 16. Juni 2017 – der Olympiapark und allen voran der Platz direkt an der Olympiahalle in München ist prall gefüllt, aber die Securities läuten endlich zum Einlass, das Warten ist vorbei – Zeit, die Türe zu dem Konzert zu durchschreiten, auf das man sich doch schon seit Monaten freut: blink-182 sind in der Stadt, mit dabei: A Day To Remember und Lower Than Atlantis! 2004 war der letzte Auftritt der Pop-Punker in der bayerischen Landeshauptstadt, damals natürlich noch mit Gitarrist Tom DeLonge, heute mit Gitarrist Matt Skiba, dem unzählige Fans kritisch gegenüberstehen. Dem Kartenvorverkauf des Konzertes hat sich das nicht anmerken lassen: der Arena-Stehplatzraum war bereits Monate vor dem Konzert restlos ausverkauft. Dementsprechend groß der Andrang bereits zur Einlasszeit, obwohl es noch bis 20 Uhr dauern sollte, bevor sich die Lichter schlagartig dimmen.
Nicht nur phrasenhaft schlagartig, sondern tatsächlich innerhalb einer Sekunde war das Licht aus und das Intro von Lower Than Atlantis erschallte durch die Boxen. Nach und nach setzten die Bandmitglieder in das Intro ein, bevor Gitarrist und Frontsänger Mike Duce die Bühne stürmte und „Had Enough“ angestimmt wurde. Der impulsive Indie-Rock, irgendwo zwischen Soft-Hardcore und Poprock, begleitet von frischen und neuen Melodien, die sofort im Ohr bleiben, wusste von Anfang zu überzeugen und führte angenehm durch die gesamte Setlist. Der freundlichen Aufforderung, beim Song „Emily“ doch mitzuspringen, kamen sogar Teile der noch recht schläfrigen Stehplatz-Gäste nach und so baute sich die Stimmung sehr langsam, aber immerhin sichtbar auf. Nach einigen kleinen Störungen in der Technik, die von Sänger Ducin mit der Aufforderung einer „mexican wave“ (was letztendlich eine Laola-Welle ist) überbrückt wurden, ging es mit „Here We Go“ zum gerade mal sechsten und bereits finalen Song. Schade, dass der musikalisch virtuose Auftritt bereits so schnell vorbei war, denn so schnell wie die Lichter ausgingen, gingen sie um 20:30 Uhr auch wieder an. Applaus war den Jungs aber in jedem Fall garantiert.
Setlist: Had Enough / Dumb / Emily / Work For It / English Kids In America / Here We Go
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Der ein oder andere Besucher war definitiv nur für sie gekommen: A Day To Remember. Nachdem sie auf ihrer Album-Tour es glorreich geschafft haben, München vollends zu ignorieren, kamen sie nun immerhin für eine 45-Minuten-Show als Support für blink in die Weißwurst-Stadt. Besser als nichts, dachten sich sicherlich viele Fans, denn T-Shirts von ADTR, wie sie sich abgekürzt nennen, sah man genauso zahlreich wie solche von blink-182. Um 20:50 Uhr begann das elektronische Intro, die Band-Mitglieder betraten unter großem Applaus die Bühne und bereits beim ersten Ton des Openers „All I Want“ feuerte man große Papierschlangen in ausreichender Menge in den Zuschauerbereich. Was für ein Auftakt!
Die Stimmung steigerte sich schnell und unaufhaltsam, Moshpits öffneten sich zahlreich und die Band rannte motiviert von einer Stelle auf der Bühne zur nächsten. Geschwindigkeit, Mitsing-Refrains und knüppelharte Breakdowns, das Erfolgsrezept der Band erscheint nicht ganz vorhersehbar und doch funktioniert es seit Jahren bestens. Ein wilder Mix aus Pop-Punk-Stücken und unfassbar harten Core-Stücke überkam an diesem Abend die Olympiahalle, wobei vor allem die härteren Passagen die Stimmung auf den absoluten Höhepunkt trieben. So hörte das Publikum auf die Aufforderung von Sänger Jeremy McKinnon, einen überdimensionalen Circle-Pit zu machen, und eröffneten so den vielleicht tatsächlich größten Circle-Pit der Geschichte der Olympiahalle – von Reihe 3 bis 30, von links nach rechts, ein riesiger Pit-Kreis; das gebührende Ergebnis des mitreißenden Songs „Paranoia“. Allgemein rissen sowohl Songs als auch Performance das Publikum so mit, dass man nach Aktionen wie Wasserballen ins Publikum werfen bei „Right Back At It Again“ und dem Verschießen von T-Shirts, durchgeführt von einem Mann in Neoprenanzug, bei „Naivety“ letztendlich komplett erledigt dem letzten Song „The Downfall Of Us All“ entgegenging und sich zwar gern noch eine längere Show von den Amerikanern gewünscht hätte, aber so immerhin froh ist, noch ein wenig Restenergie für den Headliner übrig zu lassen. Die impulsive und musikalisch zwar nicht hochwertige, aber einwandfreie Performance, wurde zurecht lautstark gefeiert. Man kann nur hoffen, dass die Band doch noch auf dem zweiten Teil ihrer Tour mit einer Headliner-Show in München vorbeisieht – Hits wie „Bullfight“ mussten aus Zeitgründen nämlich weggelassen werden.
Setlist: All I Want / I’m Made Of Wax, Larry, What Are You Made Of? / 2nd Sucks / Right Back At It Again / Paranoia / Exposed / Have Faith In Me / Naivety / If It Means A Lot To You / All Signs Point To Lauderdale / The Downfall Of Us All
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Nach einer doch recht flotten Umbaupause sollte um kurz nach 22 Uhr dann das letzte Mal das Licht ausgehen und das Intro (lustigerweise das Main-Theme der Netflix-Serie „Stranger Things“) von blink-182 erschallt in der Olympiahalle. Wirklich sehr kurze später stand die Band um Drummer Travis Barker, Neu-Gitarrist Matt Skiba und Bassist und Gründungsmitglied Mark Hoppus bereits auf der Bühne und startete ohne Unterlass mit „Feeling This“ und „The Rock Show“. Es mag verrückt klingen, aber ab dem Start des ersten Songs sollte es bis zum Ende der Show keine Verschnaufpause mehr geben, die Band spielte konsequent ihre komplette Setlist in Rekordzeit herunter. Dazu später mehr.
Es dauerte bis zum Song „What’s My Age Again“, dass das Publikum endgültig auftaute und mit der gleichen Energie wie bei ADTR mitging und -machte – ob der Auslöser der bei dem Song erstmalige Einsatz von Pyroeffekten in Form von Feuer und Luftsäulen war, das sei mal dahingestellt, in jedem Fall entstanden durch den Pyro-Einsatz schön choreographierte Bilder, die die Hits aus alten Tagen und allen voran das später noch kommende „Bored To Death“ wunderbar begleiteten. Wieso bei manchen Hits wie „First Date“ und „I Miss You“ aber alles auf ein Minimum zurückgefahren wurde, bleibt ein Rätsel, denn auch solche Songs hätten eine Untermalung verdient. Im Vergleich mit Green Day, die etwa 1,5 Wochen davor die Olympiahalle bespielten, hinkte die Feuershow allerdings ordentlich an Spektakulärem, da wäre mehr drin gewesen.
Sowohl Setlist als auch Performance waren allerdings einwandfrei. Matt Skiba, der wahrscheinlich am kritischsten beäugteste Mann dieses Abends, wusste auf voller Linie, sowohl an der Gitarre als auch am Gesang, zu überzeugen und sang Werke wie „Violence“ und „Los Angeles“ zielsicher. Mark Hoppus konnte, trotz der wenig vielversprechenden Auftritte der letzten Jahre, stimmlich wieder ordentlich zunehmen und war ebenso mit der Abstand der bewegfreudigste der Band auf der Bühne – so flitzte beziehungsweise hoppelte er von der einen auf die andere Seite, wobei man sich wohl mehrfach denken konnte, ob das denn nicht ein wenig eigenartig aussehe, wenn so ein 45-jähriger Mann über die Bühne hopst. Ein großes Highlight war definitiv gegen des Sets die Aufforderung von Hoppus, man solle doch alle Handylichter anmachen, denn sie performen jetzt einen gesamten Song in Dunkelheit – dass der Song letztendlich „Happy Holidays, You Bastards“ mit ganzen 40 Sekunden Laufzeit war, erzeugte kurzzeitig die wohl bewegungsfreudigste Lichterschar, die man bei einem Konzert bisher bestaunen konnte.
Recht wenige und kurze Ansagen und straightes Durchspielen zeichneten die Show aus, sodass mit „Los Angeles“ um 23:05 Uhr bereits das vorerst letzte Lied verklingte. So früh? Ja, denn da kommen wir wohl auch zum größten Kritikpunkt des Abends: auch wenn die Zugaben mit u.a. „All The Small Things“ und „Dammit“ inklusive fantastischem Effekte-Overkill noch einmal ordentliche Stimmung reinbrachten – nach gerade mal 75 Minuten war der ganze Spaß vorbei und die Band hatte die Bühne endgültig verlassen. Das war, in Anbetracht der Showgröße und des Preises, schon ein wenig kurz geraten, zudem die gesamte Show teils etwas gehetzt wirkte – da hätte man ruhig ein wenig alles entzerren können. Nichtsdestotrotz bleibt ein impulsiver Abend mit allen Hits aus den vergangenen Jahren und dem ein oder anderen Song vom neuen Album „California“ (komischerweise aber nicht aus dem kürzlich veröffentlichten elf Bonus-Songs des „California“-Deluxe-Albums).
Setlist: Feeling This / The Rock Show / Cynical / Anthem Part Two / What’s My Age Again / First Date / Bored To Death / Built This Pool / Down / I Miss You / Dumpweed / Reckless Abandon / She’s Out Of Her Mind / Family Reunion / Always / Violence / Sober / Happy Holidays, You Bastard / Dysentery Gary / Los Angeles – Zugabe: All The Small Things / Brohemian Rhapsody / Dammit
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Fazit: Mit großartigem Support von Lower Than Atlantis und A Day To Remember, die den Hauptact zugegebenermaßen eigentlich an die Wand gespielt haben, bestritt man einen wunderschönen Konzertabend der Punkrocker blink-182. Die Spielzeit war mit grade mal 75 Minuten leider etwas kurz, aber Performance und Setlist dafür energiegeladen und mitreißend.
Auch wenn die letzten Worte von „Dammit“, dem letzen Songs des Abends, „Well, I guess, this is growing up“ ein paar Fragen aufwerfen, warum Punks, die ihren Jugendzenit bereits weit überschritten haben, nur ebensolche Songs spielen, die in ihrer Pubertät funktioniert hätten – dann sollte man da wahrscheinlich einfach drüber stehen, denn wenn blink eines mit diesem Konzert gemacht haben, dann ist es das: die Fans glücklich gemacht.
Bericht: Ludwig Stadler
Fotos: Ingo Höchsmann
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