Die Queens sind in der Stadt – „SIX“ im Deutschen Theater (Kritik)

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Allzu oft passiert es nicht, dass aktuelle und moderne Hits vom Broadway und West End auch nach Deutschland kommen, meistens vergehen erschreckend viele Jahre. Umso erfreulicher, dass der Überraschungserfolg „SIX“ auf Tour durch die Bundesrepublik geht und auch in München Halt macht. Das Musical über die sechs Ehefrauen des britischen Königs Henry VIII. war zunächst nur als humorvoller Spaß von Studierenden gedacht, entwickelte sich dann aber zum großen Erfolg, der es 2021 auch nach New York an den Broadway geschafft hat. Bis zum 7. April 2024 kann man die Show nun im Deutschen Theater München sehen.

© Pamela Raith Photography

Von der für Musicals relativ kurzen Spielzeit von 80 Minuten sollte man sich weniger abschrecken lassen, denn diese Laufzeit hat es in sich! Verschnaufpause? Gibt es nicht. Die sechs Darstellerinnen kommen gleich zu Beginn in den schillernden, fantastischen und auch bereits etwas ikonischen Kostümen auf die Bühne und starten ihren „Historemix“ mit der Erfolgsnummer „Ex-Wives“. Sofort fällt auf: das Bühnendesign ist stimmig, die Licht- und Tontechnik ist perfekt austariert, die Band spielt taktgenau und das gesangliche Talent der sechs Queens ist über alle Maße erhaben. Hier passt absolut alles: das Stück, die Musik, die Umsetzung, die Choreografie. Selbst beim Suchen nach einem Haar in der Suppe bemerkt man schnell, dass da einfach keins kommen wird. Wahnsinn!

Die Geschichte der sechs Frauen wird mit jeweils einer Solo-Nummer dargeboten, die im Stil von verschiedenen Pop-Ikonen geschrieben wurde und dementsprechend jedes Mal musikalisch eine ganz andere Sichtweise durch die Vielfalt des Genres ermöglicht. So startet der Abend mit „No Way“ im Beyoncé-Stil, bevor es zum rebellisch-rotzigen „Don’t Lose Ur Head“ weitergeht. Natürlich fehlt auch die herzreißende Ballade mit „Heart Of Stone“ nicht – gerade dieser Song hat es auch in etliche Best-Of-Musicalkonzerte geschafft –, genauso wenig die fetzige Tanznummer, ob mit „Haus Of Holbein“ im Ensemble oder als „Get Down“ in einer absolut überragenden Performance von Kenedy Small als verschmähte Queen Nummer 4, Anna of Cleeves.

© Pamela Raith Photography

Was noch als Battle um die Krone der „besten Queen“ beginnt, endet in Solidarität untereinander. Mag sie zwar der teils tyrannische Henry VIII. einen, geht dieses Musical nicht um ihn, sondern lediglich um die Damen an seiner Seite. Angenehmer Nebeneffekt des großen Erfolgs der Show: die sechs Ehefrauen haben tatsächlich auch popkulturell ungemein an Kenntnis und Wahrnehmung gewonnen, explizit nicht nur Anne Boleyn, die als erste geköpfte Frau wohl am bekanntesten sein dürfte. Am Ende bleiben hier aber sechs, natürlich auch musikalisch, gleichberechtigte Queens, die gemeinsam mit der vierköpfigen (und ebenfalls komplett weiblichen) Band die Münchner*innen ins schiere Jubeln mit Standing Ovations versetzen. Sicherer als das Eheversprechen von Henry VIII. gilt: Wer dieses Musical und diese Produktion im Deutschen Theater verpasst, begeht einen großen Fehler!

Kritik: Ludwig Stadler

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