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Wenn aus Volksmusikanten experimentelle Dance-Pop Musiker werden – „LOVEMEN“ im Hoftheater
An Sympathie mangelt es den drei Jungs der Band LOVEMEN ganz sicher nicht. Und ebenso wenig an musikalischem Talent. Mit einem spannenden Mix aus Gesang, Synthesizer, Baritongitarre, Drums und Moog Bass bringen sie den Saal des Hoftheaters am 26. Oktober 2021 zum Beben. Die Texte der eigenen Songs stehen dabei ganz im Zeichen des Namens der Gruppe. Das Sujet der Liebe scheint der Band besonders am Herzen zu liegen – im wahrsten Sinne des Wortes. Besonders beeindruckend: Was bei den dreien als klar einstudierter Song beginnt, endet meist in einer wilden Improvisation und zeigt, wie gut sie ihre Instrumente jeweils beherrschen. Ihre Musik wird deshalb auch nie langweilig, entwickelt sich stetig weiter…
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Irrungen und Verwirrungen unter der Regie Cupidos – „Amors Fest“ am Gärtnerplatztheater
Barocke Klänge von Cembalo und Laute füllen den Saal an diesem spektakulären Abend. Götter, Allegorien und Nymphen tanzen beschwingt über die Bühne, auf der in kürzester Zeit aufwendige, ästhetische Bilder der vier Jahreszeiten entstehen. Es liegt ein Wandel in der Luft. Ein Wandel von Gut und Böse, von Liebe und Unglück, von Tag und Nacht. Und dies alles eingekleidet im Mantel des Barock, einer Zeit, in der Umbruch an der Tagesordnung stand. Das „Barockspektakel“ Amors Fest feierte am 14. Oktober 2021 Uraufführung im Staatstheater am Gärtnerplatz. Das Werk, zusammengestellt und bearbeitet von Howard Arman, findet in vier verschiedenen Teilen statt. Vier Teile, die für die vier Jahreszeiten stehen. Die Gewerke von Kostüm, Bühne,…
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Still Here – Gil Ofarim im Deutschen Theater (Bericht)
Trotz Gewitterwarnung und Regenschirmen unter den Stühlen ist die Stimmung super, an diesem Samstagabend, 31. Juli 2021, als sich im Innenhof des Deutschen Theaters die Besucher versammeln. Früher waren es Teenie-Mädels, die aufgeregt gekreischt haben, heute ist der Großteil des Publikums zwar noch immer weiblich, aber nicht mehr ganz so aufgeregt wie um das Jahr 2003, als Gil Ofarim als Frontmann der Rockband Zoo Army in den einschlägigen Formaten von Viva bis MTV die Herzen höher schlagen ließ. Seitdem ist der Musikersohn von Abi Ofarim auf dem Boden des ‚Kann von seiner Kunst leben‘-Daseins angekommen. So macht er Musik, arbeitet aber auch als Synchronsprecher, Schauspieler und tritt immer wieder in diversen Fernsehshows…
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Sandarella singt – „Monty Python’s Das Leben das Brian“ im Gärtnerplatztheater (Kritik)
‚Wenn was richtig Gutes läuft, würde auch auch mal mit ins Theater gehen‘. Wer solche Leute im Bekanntenkreis hat, der hat nun eine tolle Empfehlung auszusprechen. Sie kann so klingen: ‚Du kennt doch „Das Leben des Brian“?‘ – ‚Klar‘ – ‚Dann lass uns das doch anschauen, es läuft nämlich sei dem 15. Juli 2021 im Gärtnerplatztheater!‘. Seit 2007 ist das von Eric Idle und John Du Prez kreierte komische Oratorium bereits in Nordamerika und Australien unterwegs. Nun verschlägt es dieses Konzert der anderen Art über den großen Teich und ausgerechnet ins konservative München. Und das Publikum findet es, um das schon vorwegzunehmen, grandios. Das Oratorium teilt sich in fünf Teile á vier bis…
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Kissenschlacht auf der Opernbühne – „Der Barbier von Sevilla“ im Gärtnerplatztheater (Kritik)
Eine opera buffa, etwas Unterhaltsames, um sich zu amüsieren: so kennt man den „Barbier von Sevilla“. Nachdem Gioachino Rossini sich dieses zu seinen Lebzeiten bereits beliebten Stoffes einmal angenommen hatte, floss die Oper in nur wenigen Wochen geradezu aus seine Feder. Genau so ergeht es einem in der neuen Inszenierung von Josef E. Köpplinger am Gärtnerplatztheater – sie vergeht wie im Flug. Wild und bunt geht es in den Inszenierungen, die der Chef des Hauses übernimmt, meistens zu, und so ist auch dieser Abend optisch und musikalisch ein Fest. Das Setting: eine Kulisse aus riesiger Kaktustapete, die an den Wilden Westen oder wenigstens die Wüste erinnert, dazu die Kostüme (Alfred Mayerhofer) im Stil…
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Textschwall in großer Kulisse – „Herz aus Glas“ im Marstall (Kritik)
Schon die Fotos auf der Website und dem Instagram Account des Residenztheaters versprechen viel von diesem Premierensamstag, dem 3. Juli 2021 im Marstall. Als Textvorlage dient das 1976 erschiene gleichnamige Drehbuch „Herz aus Glas“, daraus hat Elsa-Sophie Jach nun mit einem siebenköpfigen Ensemble einen fulminanten Abend entwickelt. Die Figuren teilen sich dabei in ‚das Dorf‘ und ‚den Seher’, wie bereits das Kostüm erkennen lässt. Die Dorfbewohner erinnern mit aufgetürmten Perücken und Spitzenkragen in Kombination mit verwahrlost wirkenden bunten Jogginganzügen an das Video von Falcos „Rock Me Amadeus“. Ihre Einheit wird noch deutlicher durch den chorischen Sprech, mit dem sie den Romantext vortragen. Heraus sticht eine unauffällig in schwarz gekleidete Pia Händler als…
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Der Kampf um die Rechte – „Bayerische Suffragetten“ in den Kammerspielen (Kritik)
Es ist Pride Month. Jedes hippe Unternehmen hat das eigene Logo mit Regenbogenfarben aufgepeppt, selbst die Münchner Verkehrsbetriebe haben jeden Bus mit einem bunten Fähnchen ausgestattet. Da ist ein Stück über Gleichberechtigung ja quasi Pflichtprogramm, möchte man meinen. Doch statt pauschal über Unterdrückung und Queerfeindlichkeit in dieser, unserer patriarchalischen Gesellschaft zu schwadronieren, präsentieren die Münchner Kammerspiele einen Rückblick auf erste Initiativen der Gleichberechtigung, als von Equal Pay und Quoten in Vorständen noch lange keine Rede sein konnte. Bayrische Suffragetten gibt dabei aufregend und unterhaltsam, aber zugleich keineswegs oberflächlich einen Einblick in den Kampf einer Gruppe couragierter Frauen vor mehr als 150 Jahren. Jessica Glause inszeniert überlieferte Texte wie Tagebucheinträge und Briefe kombiniert mit…
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Wahrheit oder Pflicht – „Ich hab noch nie“ in der Schauburg (Kritik)
Ich hab noch nie, „Never have I ever“ oder „Flaschendrehen“ – wer kennt diese Teenagerspiele nicht? Eine Mischung aus Spaß und Anspannung, etwas von sich preisgeben oder den Daniel nebenan in fünf Sekunden auf den Mund küssen zu müssen. Begleitet von süßem und billigem Alkohol wie billigem Sangria oder Vodka mit Orangensaft. Da entstehen Suff-Freundschaften für einen Abend oder lustige Stories, die im Freundeskreis zur Legende werden. Genau in diesem Setting findet sich „Ich hab noch nie“ von Nelly Winterhalder, das am 16. Juni 2021. in der Münchner Schauburg seine deutsche Erstaufführung feiert. Inszeniert von Katharina Mayrhofer, die in der Schauburg bereits mit der Inszenierung von „Untern Kindergarten“ punktete, stellt sich der Abend für ein Publikum…
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Große Gefühle von Doroszma bis Tokio – „Viktoria und ihr Husar“ am Gärtnerplatztheater
Tränen des Mitgefühls vergießen und vor Lachen weinen müssen innerhalb einer 105 Minuten langen Operette? Für den Komponisten Paul Abraham und seine Librettisten Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda kein Problem. Was im Jahre 1930 für Gefühlsausbrüche in verschiedenste Richtungen gesorgt hat, scheint auch heute – fast 100 Jahre später – nach wie vor wunderbar zu funktionieren, wie uns der Regisseur Josef E. Köpplinger mit der Operette Viktoria und ihr Husar, welche am 10. Juni 2021 Spielzeitpremiere am Staatstheater am Gärtnerplatz feierte, beweist. Die Geschichte folgt einem spannenden Erzählkonzept. Wir befinden uns zu Beginn des Stückes in einem Lager von russischen Kriegsgefangenen. Der Husarenrittmeister Stefan Koltay (Daniel Prohaska) und sein Bursche Janczy (Josef Ellers) warten dort auf ihre Hinrichtung, als Leutnant Petroff (Peter Neustifter) Koltay auffordert,…
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So blutleer? – „Die Tragödie des MacBeth“ im Volkstheater (Kritik)
‚Das war ja ganz anders als im Buch!‘, sagen die einen, nach einem Theaterabend, bei dem sich das Ensemble der Textvorlage in eigener Herangehensweise widmet. ‚Wenn ich das eins zu eins sehen will, schaue ich mir eine Verfilmung mit 100% Texttreue an und gehe nicht ins Theater!‘, heißt es, wenn man sich strikt an das Drama hält. Philipp Arnold schafft es in ‚Die Tragödie des Macbeth‘ beide so widersprüchlichen Positionen zu vereinen. Diese feierte am 28. Mai 2021 am Münchner Volkstheater Premiere. In knapp zwei Stunden hält er sich zwar nahe an Shakespeare, zeigt dem Publikum aber zugleich die Tragödie hinter der Tragödie: den wachsenden Wahnsinn, die auf Aberglaube beruhenden Zwänge, die…