Der Münchner Konzert- und Festivalsommer ist sowieso schon voll, da meldet sich das sonst eher unmusikalische andere große Sommer-Happening, die Fußball-Europameisterschaft 2024, mit einem äußerst musikalischen Startschuss-Event. Da die EM dieses Jahr in Deutschland ausgetragen wird und in München auch das Auftaktspiel stattfindet, hat es sich die UEFA nicht nehmen lassen und gemeinsam mit FKP Scorpio ein großes Fan Fest am 12. Juni 2024, zwei Tage vor Beginn, organisiert. Da AC/DC allerdings das Olympiastadion besetzen, wurde ausgewichen auf die Theresienwiese. Erstmals findet daher ein großes Open-Air-Konzert auf diesem Platz statt. So sind neben den gespannten rund 60.000 Besucher*innen auch die Augen der Veranstaltungsindustrie auf das Event gerichtet. Neben allerlei Essens- und Infoständen lockt vor allem das Line-Up an: Ed Sheeran, Nelly Furtado, Mark Forster, Dylan und Tim Bendzko. Anpfiff: 16 Uhr.
Doch zu Beginn gibt es erst einmal reichlich Komplikationen, der Einfluss klappt nur sehr zäh und so ist es bei Tim Bendzko um 16 Uhr noch relativ leer. Der Deutschpop-Sänger wartet mit allerlei Hits der letzten Dekade auf und weiß live absolut zu überzeugen. Schade, dass ihm lediglich 30 Minuten zur Verfügung stehen! Die folgende Dylan ist da, vor allem beim offensichtlich ausschließlich eventinteressierten Radiopublikum, deutlich weniger interessant. Zwar weiß die Britin sehr wohl, wie sie ihre rockigen Pop-Songs präsentiert, aber der Funke will einfach nicht so recht überspringen. Währenddessen füllen sich die Wellenbrecher in den vorderen Bereichen immer mehr, bis es zum Einlassstop kommt. Auch die Einteilung der Zonen A, B und C führt etwas zur Verwirrung. Wer darf nun eigentlich vor, wer nicht? Wo ist was? Die meisten kapitulieren und suchen sich einfach irgendwo einen soliden Platz.
Relativ pausenlos geht es um 18 Uhr mit Mark Forster weiter, der sich reichlich selbstironisch als „Mike Foster“ mit Goleo, dem Maskottchen der WM 2006, auf den Screens ankündigt. Die Zuschauer*innen zeigen sich aber humorbefreit, verstehen den Witz nicht und maulen herum. Bei den Radio-Hits wird dennoch das Handy gezückt und lautstark mitgegrölt. Das wird selbst dem gern mal belächelten Pop-Giganten, der seit vielen Jahren die Radio-Anstalten Deutschlands beherrscht, nicht gerecht. Dem Auftritt ist wenig entgegenzusetzen. Wer im vorderen Bereich etwas Essen und Trinken möchte, muss raus – und kommt dann auch nicht wieder rein. Zwickmühle. Wer sich dann doch eher für die überlebensnotwendige Flüssigkeitszufuhr und gegen den seit Stunden verteidigten Bestplatz entscheidet (auch die angepriesenen Gratis-Wasserstellen sind natürlich woanders), wird aber mit reichlich gastronomischen Angebot belohnt. Auch der aufgebaute Biergarten ist rappelvoll. Wiesn-Vibes entstehen aber, wie man an der Location vermuten möchte, nicht, viel zu trist ist die Atmosphäre. Ein Wohlfühlen will nicht stattfinden, dem Gelände fehlt in der Anordnung jeglicher Charme. 7€ kostet das Bier, Bitburger. Das darf ja wohl nicht Warstein! Lieber schnell wieder dem Musikprogramm widmen.
Das weiß nämlich durchaus zu gefallen. Mit Nelly Furtado um etwa 19:35 Uhr startet eine Pop-Ikone der 2000er-Jahre, die mit einem übervollen Sack Hits anreist und diese erstmals seit über elf (!) Jahren in München zum Besten gibt. Ihre 60 Minuten füllt sie mit einer bekannten Melodie nach der nächsten, zwischendrin mal ein Remix oder auch ihr neuer Song „Love Bites“. Zum grandiosen „All Good Things (Come To An End)“ holt sie Rea Garvey als Special-Guest für ein Duett auf die Bühne. Zwar wummert der Bass ordentlich, aber Furtado zieht mit ihrer astreinen Performance die Menge in den Bann und kann für die Zeit ihres Auftritts sicher über viele Strapazen hinwegsehen lassen.
Setlist: Say It Right / Maneater / Turn Off The Light / Broken Strings / Try / All Good Things (Come To An End) / Powerless (Say What You Want) / I’m Like A Bird / Força / Where You Are (Hayla cover) / Love Bites / No hay igual / Te busqué / Corazon / Big Hoops (Bigger The Better) / Eat Your Man / Give It To Me / Promiscuous
Allen Widerständen zum Trotz, wie schlechte Witze der Bayern 3-Moderator*innen in den Umbaupausen und Philipp Lahm, der Frankreich als EM-Favorit sieht (ein Raunen geht durch die Menge), passiert es dann um 21:15 Uhr wirklich: Ed Sheeran steht auf der Bühne! Seine Band, mit der er seit einigen Jahren auftritt, hat er dabei, im Wechsel musiziert er mit ihnen oder lediglich alleine – so, wie er letztendlich bekannt geworden ist. Gewohnt technisch astrein loopt er sich durch seine Diskografie, bestens gelaunt und bei Stimme. 90 Minuten Spielzeit hat er – und ja, diese Zeit reicht nicht einmal, um alle Hits unterzubringen. Es ist verrückt, wie sehr Sheeran in den vergangenen 13 Jahren den Pop weltweit dominiert, erst vergangenes abgelöst von seiner guten Freundin Taylor Swift. Kaum jemand kam an „Thinking Out Loud“ oder „Shape Of You“ vorbei, selbst in den neueren Alben finden sich riesige Hits wie „Bad Habits“. Ed Sheeran hat es einfach geschafft – mit seiner Karriere, aber auch spielerisch, die Münchner*innen mitzunehmen und ein gelungenes und würdiges Konzert für den Startschuss der Heim-EM 2024 abzuliefern. Immerhin die Musik-Performances haben sich am Ende, allen Widerständen zum Trotz, gelohnt. Und jetzt: Gut Kick in die Runde!
Setlist: Castle On The Hill / Shivers / The A Team / Don’t / Lego House / Give Me Love / Medley / Overpass Graffiti / Galway Girl / Thinking Out Loud / Sing / Photograph / Happier / Perfect / Bloodstream / Shape Of You / Bad Habits
Bericht: Ludwig Stadler
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