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Turbostaat – am 11. Mai im Strom
Für ihre Texte, verschroben und doch direkt und brutal, für die besondere Stimmung ihrer Songs, in denen der Wind über dem letzten Land vor dem nördlichen Meer haust, sind sie seit mehr als 20 Jahren von einer immer größer werdenden Menge an Fans geliebt und geschätzt; sie sind Institution und Aushängeschild deutschsprachiger Musik, die sowohl anspruchsvoll als auch authentisch ist: eigenwillig, ohne mutwillig verkopft zu sein. Eigentlich hätten Turbostaat schon im vergangenen Oktober im Strom spielen sollen, das Corona-bedingt abgesagte Konzert wird nun am 11. Mai nachgeholt. Die Band wird – unter anderem – ihr aktuelles Album Uthlande präsentieren, man könnte auch sagen: aus dem pandemischen Dornröschenschlaf reißen und sie…
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Die Wiederkehr des Verdrängten – Ultha im Feierwerk (Bericht)
Kühl ist der Abend des 20. April, vor dem Feierwerk grüppchenweise Schwarzbemäntelte: gekommen, Ultha und Unru zu sehen. Die Wiederkehr des Verdrängten lautet der Titel des jüngsten Werks von Unru. Und als musikalische Manifestation dessen, was unter aufgeräumte, hygienische Oberflächen gedrückt wurde und sich schließlich – verhängnisvoll – geltend macht, leuchtet das, was die Gruppe während knapp einer Stunde auf der Bühne der Kranhalle fabriziert, durchaus ein. Insbesondere gesanglich sind Unru stark aufgestellt: Keyboarderin E. steuert skandinavisch-ätherischen Gesang zu den Growls von Zentralfigur und Bassist T. bei; Gitarrist Lars Ennsen, der auch bei Ultha tätig ist, lässt sich Quorthon-esk singend/screamend vernehmen. An der zweiten Gitarre hilft Ulthas Ralph Schmidt aus:…
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Mogwai – am 22. Mai im Backstage Werk
»To the Bin My Friend, Tonight We Vacate Earth«: So lautet der Titel des Openers von Mogwais neuestem Album As the Love Continues. Für Münchner EskapistInnen und Reverb-HuldigerInnen wird am 22. Mai das Backstage Werk besagte Büchse sein, in der sie der Erde für ein paar Momente den Rücken kehren und mit den Schottischen Postrock-Pionieren in die farbigen Nebel über Glasgow, jenseits der Milchstraße eintauchen können. Denn nach fünf Jahren kommt die legendäre Band, die sich mit Alben wie Come on Die Young oder Rock Action in die Annalen der Gitarrenmusik nachdrücklich eingeschrieben hat, endlich wieder nach München. In dieser Zeit waren die Schotten alles andere als untätig, neben besagtem…
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Am Kreuz – Amenra in der Freiheitshalle (Bericht)
Es schien ein wenig Verwirrung im Vorfeld des Amenra-Konzerts am vergangenen Mittwoch, den 13. April zu herrschen: Würden die Belgier wieder für eine Akustik-Show anreisen oder aber ihre Songs in voller verstärkter, verzerrter, gebrüllter Pracht spielen? Es war, so stellte sich heraus, kein Konzert zum Sitzen, weder für die Band noch für das Publikum. Als Support-Act haben sich Amenra die Solo-Cellistin Jo Quail ins Boot geholt, die pünktlich um 20 Uhr die Bühne betritt und der noch eher locker gefüllten Freiheitshalle entgegenblinzelt. Wir konnten die Musikerin vor rund drei Jahren schon zusammen mit Mono und Årabrot erleben und auch heute stellt sie wieder eindrucksvoll unter Beweis, wie sie ihr Instrument…
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All Those Born With Wings – Jan Garbarek im Prinzregententheater (Kritik)
Freitag, 8. April 2022, ein kühler Frühlingsabend. Beständiger Zulauf am mehrtürigen Eingang des Prinzregententheaters. ›Muss man jetzt gar nicht mehr –?‹ ›Nein, das Ticket genügt.‹ Auf dem Ticket und in wenigen Minuten auf der Bühne des prächtigen Saals steht: Jan Garbarek (mit) Group. Pünktlich um acht Uhr betritt einer der bedeutendsten Musiker der europäischen Jazz-Gegenwart mit seinen Kollegen die Bühne: Jan Garbarek. Der Norweger erlangte internationale Bekanntheit durch seine Zusammenarbeit mit dem Hilliard Ensemble auf dem Album Officium, sowie mit Keith Jarret, dem, neben Garbarek selbst, anderen großen Aushängeschild des ECM-Labels, seit jeher Garbareks verlegerische Heimat. An diesem Abend geht es aber nicht um historische liturgische Choräle und auch nicht…
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Amenra und Ultha – im April in München
Sie verarbeiten in ihrer Musik Elemente aus Black Metal und Sludge, sie sind bekannt für ihre kompromisslose Herangehensweise an ihre Kunst und alles, was damit zusammenhängt, ihre Alben zu hören, ist zugleich zermalmend, beängstigend, und erhebend; das Zusammentreffen von kalter Gewalt und feiner, ja zerbrechlicher Melancholie macht die besondere Stimmung und Eigenart ihrer Musik aus. – Diese Beschreibung trifft – in je ganz eigener Weise – auf zwei Bands zu, die im April innerhalb einer Woche in München zu sehen sein werden: Amenra und Ultha. Über ein Amenra-Konzert hatten wir vor nicht allzu langer Zeit schon die Freude zu berichten, als die belgische Band im vergangenen Herbst für eine Akustik-Show…
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Bonobo – am 25. April in der TonHalle
Elektronische Musik gemäßigter Gangart, zwischen Trip Hop und Weltmusik, zwischen Jazz und Chill Out ist Bonobos (aka Simon Greens) Metier; oder vielmehr: es ist das Metier, das er seit Jahren großmeisterlich formt, beherrscht und belebt. Mit Alben wie dem Debüt Animal Machines und dem herausragenden Black Sands hat er sich eine ganz eigene Rille in der Vinylplatte zeitgenössischer Musik gegraben, vielfache Einflüsse aufgreifend, samplend, sich in spannenden Kollaborationen je neu darstellend. Dasselbe gilt auch für Bonobos jüngstes Album Fragments, das der Brite im Januar dieses Jahres veröffentlichte und mit dem er sich zurzeit auf Tour befindet. Auf Fragments präsentiert Bonobo eine Sammlung von Tracks, die seine bekannten Trademarks und Qualitäten…
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Deine Kusine – Bohren & der Club of Gore in den Kammerspielen (Bericht)
Bohren: Ein mitunter riskantes, mitunter subversives Unterfangen; welche geheimen Adern, Leitungen, Reservoire liegen unter oder hinter der Oberfläche? Wie dünn ist die Wand, die zu dübeln ich gedenke? Oder: eine heimliche Tätigkeit der Nacht, die an den Fundamenten neuer und alter Bauten nagt – das gebohrte Loch als gähnendes. Einsturz, Deflation in die Ratlosigkeit, die Langeweile (»Other Bands play, Bohren bore«). Oder: Die pure Lust an der Penetration einer Undurchdringlichkeit – mittels einer noch größeren Undurchdringlichkeit; »Penetrate the evening that the city sleeps to hide« – mittels der allerschwärzesten Nacht (»Maximum Black«), durch die die »Dandys lungern«, zwielichtige Gestalten opaker Coolness. In solcher sich zu üben hatte am Sonntag (28.…
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Circles – Sóley im Ampere (Bericht)
Gastbeitrag von Julia Heuel Am Abend des 9. November 2021 tröpfeln die Zuschauer ins warm erleuchtete Ampere, lassen sich nieder, trinken und plaudern. Alsbald durchquert ein Grüppchen schwarzgekleideter Menschen still den Zuschauerraum, um auf der Bühne in quadratischer Formation an ihren Instrumenten Aufstellung zu nehmen. Sóley selbst sitzt vorne an der Bühne, seitlich zum Publikum, und stellt eine Tasse mit zwei Teebeuteln neben ihrem Keyboard ab. Dann wendet sie sich zum Publikum und erzählt sanft und lächelnd vom Leben auf Tour. Dieses seltsame Gefühl, beim Verlassen einer Stadt nie zu wissen, ob man am Abend in der nächsten Stadt spielen wird oder schon wieder nicht. Ein seltsames Gefühl ist es auch…
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The Eyes of the Singer – Stella Sommer in den Kammerspielen
Nacht des 23. Oktober 2021, die windige Leopoldstraße hinunter beschleunigen donnernd die schwarzglänzenden, PS-strotzenden Wagen. Es ist Zeit für Heiterkeit. Doch vor der unwirtlichen Szenerie bewahrt ein wenig der leise Nachklang des soeben genossenen Konzerts von Stella Sommer in den Kammerspielen. Wurden ihre mit dem Projekt Die Heiterkeit aufgenommenen Alben hierzulande in den Himmel gelobt, so katapultierten ihre beiden englischsprachigen Solo-Alben die Sängerin und Pianistin und Gitarristin auch in den Fokus der internationalen Musikaufmerksamkeit. Zuletzt erschien vor einem Jahr das großartige »Northern Dancer«, dessen LP-Version aufgrund von Presswerk-Schwierigkeiten erst kürzlich veröffentlicht werden konnte. »Es fühlt sich also immer noch an, als hätte ich ein neues Album dabei«, stellt Sommer bei…