Kids These Days – Shakey Graves im Freiheiz (Konzertbericht)

Quelle: http://www.runforcoverrecords.com/artists/petal
© Run For Cover Records

8. November 2018: Auf zum Rainer-Werner-Fassbinderplatz! Denn dort gastiert im Freiheiz der texanische Sunnyboy Alejandro Rose-Garcia alias Shakey Graves, um sein neues Album „Can‘t Wake Up“ zu präsentieren. Und dies will sich tatsächlich eine stattliche Anzahl MünchnerInnen nicht entgehen lassen: Als Shakey Graves‘ Supportact Petal überpünktlich um dreiviertel acht zu spielen beginnt, kann von gähnender Leere im Zuschauerraum keine Rede mehr sein. Auch Petal lässt sich auf eine Person herunterbrechen: Kiley Lotz singt, gitarrisiert und spielt Keyboard, mal mit zweiköpfiger Bandunterstützung, mal ohne. Herzlich bedankt sich Lotz für die Aufmerksamkeit, die ihr bzw. ihrer Musik, von der sie zunächst eine lichtere, garagenrockige, sodann eine eher sentimental-verletzliche Seite aufscheinen lässt, gezollt wird – um nicht allzuviel später ihren Song „I‘m Sorry“ zu unterbrechen und das sich zu großen Teilen in bester Stammtischmanier gebärdende Publikum höflichst zu bitten, leise zu sein – um derer willen, die tatsächlich zuhören möchten. Ein mutiger (und völlig nachvollziehbarer) Schritt, der dennoch eine gewisse unterschwellige, destruktive Wirkung auf die Chemie zwischen Kiley Lotz und dem Auditorium ausüben muss. Bei etwas gedrosseltem Lärmpegel setzt sie ihr Set fort, dessen Songs größtenteils vom aktuellen Album „Magic Gone“ stammen, mit dessen Titelstück sie sich nach dem Talking Heads-Cover „This Must Be the Place“ auch verabschiedet.

Quelle: https://www.dualtone.com/artists/shakey_graves
© Dualtone Records

Shakey Graves wartet bis exakt 21 Uhr, ehe er die Bühne betritt. Beinah zerrüttet wirkt er mit seinen ausgewachsenen Haaren, anders als unter Umständen erwartet, gibt er sich auch keineswegs als „Sunnyboy“ und Entertainer. Allein an der Gitarre beginnt er und spielt gleich einige seiner beliebtesten Songs wie „Roll The Bones“ und „Built To Roam“, fast, als wolle er denen, die es brauchen, Gelegenheit geben, ihre Instagram-Videos aufzunehmen, damit man anschließend zum Hauptteil des Abends übergehen kann. Der Hauptteil beginnt dann mit dem Auftreten von Shakey Graves‘ Band, die aus der Einmann-Nicht-Show eine Vier-Mann-Auch-nicht-wirklich-Show macht. Zumindest, wenn man unter „Show“ eine über die Musik hinausgehende Bespaßung versteht. Logischerweise konzentriert sich auch Rose-Garcia auf sein neuestes Werk, bricht jedoch dessen kompakten Kompositionen immer wieder instrumental auf und verleiht ihnen raue Kanten und intensive Klangeindrücke. Darüber hinaus gestalten Shakey und seine Männer die Übergänge zwischen den Songs stets fließend, wodurch sowohl Ansagen seitens der Band als auch Beifallsbekundungen mehr oder weniger unterdrückt werden. Zwar verschließt sich Rose-Garcia nicht völlig der Rolle des Showman, doch wenn er seine Musiker vorstellt oder zum Mitsingen auffordert, wirkt er recht zerstreut bzw. in seinen Worten halb sarkastisch. Was nicht weiter schlimm ist, denn wie angedeutet liefert/liefern Shakey Graves musikalisch auf ganzer Länge, Höhepunkte sind z.B. „Cops and Robbers“ oder „Counting Sheep“. Nach letzterem verabschiedet Rose-Garcia seine Mitmusiker und bringt das Konzert allein zu Ende, was zwar Freude bei denjenigen hervorruft, die von der Schwere des Vorhergegangenen nicht besonders angetan waren, aber auch eher selten lichte Momente bietet, in denen Shakey Graves frei von der Leber weg auf seine Koffer-Kick Drum eintritt und dazu seiner Klampfe fordernde, simple Country-Melodien entlockt. Nein, der Mann mag es heute eher schwermütig, siehe „Foot of Your Bed“ oder „Family and Genus“. Bestens ins Bild passt da die Zugabe, die wieder in voller Besetzung vorgetragen wird: Wer von diesem Album aus den 90ern mit dem nackten Baby auf dem Cover nicht nur den ersten Song kennt, horcht vielleicht erkennend auf, wenn Shakey Graves anhebt: „Underneath the bridge / The tarp has sprung a leak…“. Eine sehr gelungene, dem Original mehr als entsprechend düster-melancholische Coverversion von Nirvanas „Something in the Way“ geht also dem allerletzten Song dieses Konzerts voraus: „Kids these Days“ setzt einen markanten, etwas leichtherzigen Schlusspunkt hinter ein Konzert, das etwas anders und – zumindest, was Shakey Graves, die Band anbelangt – besser als erwartet war.

Bericht: Tobias Jehle