Pflanzenfressen im Silbersaal – „Der kleine Horrorladen“ im Deutschen Theater (Kritik)

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Zum zweiten mal in einer Woche trumpft das Deutsche Theater mit einer Premiere zum Thema ‚Horror‘ auf. Doch bei Der kleine Horrorladen handelt es sich nicht um eine der klassischen Produktionen auf der großen Bühne – hier sitzen die Zuschauer an kleinen Tischen im Silbersaal und scheinen sich auch alle zu kennen. Das liegt natürlich daran, dass das Publikum der Premiere zum Großteil aus Angehörigen der Darsteller*innen oder der August Everding Akademie allgemein besteht. Denn Der kleine Horrorladen ist das Ergebnis der Kooperation vom Deutschem Theater mit den renovierten Akademie und der HMT München, in der sich die jungen Talente beweisen. Premiere war am Samstag, 20. März 2022, die Folgevorstellungen sind bereits ausverkauft.

© Lioba Schoeneck

Bekannter als das Musical, das bereits 1982 in New York erstaufgeführt wurde, ist wohl der Film von 1986. Geprägt ist die Inszenierung von unschuldigem Humor und Slapstick-Komik. Die Handlung ist leicht erklärt: der Blumenladen des Mr. Mushnik (Roberta Monção) ist der letzte Zufluchtsort für verlassene Gestalten wie Straßenkinder, aber auch die Mitarbeiter*innen Audrey (Salomé Ortiz Obermayer), die von Ihrem Freund misshandelt wird, und Seymour (Delia Bauen), dem introvertierten Botaniker. Als der Laden schon kurz vorm Dichtmachen ist, kommt Seymour mit einer eigenen kleinen Züchtung um die Ecke und aus einem vermeintlich großen Glückstreffer wird schnell eine karnivore Katastrophe.
Soweit so bekannt. Auch die Inszenierung von und mit Studierenden der Regie und Musical der Hochschule für Musik und Theater München und der Theaterakademie August Everding hält sich ganz nahe an der Ästhetik des Originals. Die Songs sind eingängig und unbeschwert, die Dialoge locker und es wird reichlich mit Slapstick gearbeitet. Hier beweist Regisseur Benjamin Truong handwerkliches Können, da Reaktionen und kleine Tänze auf den Punkt zu Musik und Dialogen passen. Musikalisch beeindrucken Anton Roters, Christoph Weinhart und Marco Beck mit umfassender Begleitung. Sie liefern nicht nur die Live-Musik zu den Songs, sondern untermalen auch die gespielten Szenen und geben sogar den Pflanzen eine Akustik. Vor allem Marco Beck ist hier zu nennen; er ist auch noch Abendspielleiter und Regieassistent.

© Lioba Schoeneck

Musikalisch gibt es an diesem Abend nichts zu meckern, die Songs sind selbstbewusst und stimmsicher geschmettert mit einer Ausstrahlung, die zu den überzeichneten Charakteren vollkommen passt. Womit wir bei der Herausforderung des Abends wären: einen Stoff, in dem die Figuren einfache Wesenszüge, dafür sehr stark ausgeprägt, ausweisen, ist eine Gratwanderung. Am schwersten hatten es dabei wohl Leopold Lachnit und Larissa Hartmann als Straßenkinder/Soulgirls. Jeder Auf- und Abgang findet mit solchem Gepolter statt, dass die beiden alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen und damit nicht nur, wie sicher gewünscht, überdreht wirken, sondern von der Handlung ablenken. Salomé Ortiz Obermayer spielt Audrey genau mit der Hingabe und Intensität, die diese Figur braucht, schließlich kennt man Audrey auch als verträumt und unschuldig. Richtig beeindruckend liefert Delia Bauen ab. Zugegeben: als heimlicher Verliebter, Weisekind, Forscher… hat Bauen eine komplexere Figur, die sie mit Leben füllen kann. Sie überzeugt mit authentischem Schauspiel, im Gesang aber auch in der Interaktion mit der eigenen ausgearteten Schöpfung Audrey II (Delia Bauen), die den Wahnsinn der Psychopflanze mit jeder Bewegung nachfühlt.

Das Publikum ist begeistert, die knappen zwei Stunden verfliegen und man hat einen Heidenspaß. Der Abend erlaubt keine intellektuellen Höhenflüge – das gibt das Stück aber weder her noch ist es dafür gedacht. Auch der Silbersaal ist vermutlich mit der kleinen Bühne eine größere Herausforderung als im Prinzregententheater oder der Hochschule, die den Produktionen sonst zur Verfügung stehen. Dafür ist ‚Der kleine Horrorladen‚ eine gelungene Produktion, die einfach für gute Laune sorgt.

Kritik: Jana Taendler