Freiheit für die Kunst – „Carmen Sedlmayr“ im Hofspielhaus (Kritik)

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Dass das Hofspielhaus mit seinen Möglichkeiten, zumal in jetziger Situation, keine vollwertige Oper anbieten kann, ist völlig klar. Umso klüger erscheint also die Entscheidung, aus der Oper „Carmen“ eine eigene Version, ihres Zeichens eines Komödie, zu machen. Als Autor erweist Stefan Kastner dem privat betriebenen Theater neben Staatsoper und Kammerspielen die Ehre. Ehre vor Allem, weil derselbe bei Eröffnung des Hauses vor wenigen Jahren schon den Text für die allererste Inszenierung beisteuerte. Dass Betreiberin Christiane Brammer bei der Begrüßung vor 30 ZuschauerInnen erwähnt, man erinnere sich vielleicht an diese Inszenierung und Resonanz erfährt, lässt erahnen, dass am vergangenen Donnerstag, 10. September 2020, langjährige Fans und Liebhaber des Theaters anwesend waren. Die Eigenproduktionen des Hofspielhauses sind eine hervorragende Möglichkeit, der Leidenschaft zur Schauspielerei auf einer richtigen Bühne zu frönen. „Carmen Sedlmayr“ macht das sogar unter Covid-Bedingungen möglich.

© Michaek Klinksik

Statt zu versuchen, im Keller des Hauses Abstände einzuhalten, verlegt Brammer mit ihrem Team das Geschehen in den Innenhof und bietet so einen Oper Air-Abend. Einige Zuschauer*innen finden sogar in den Fenstersimsen der oberen Etage Platz, was an historische Umstände fürs Theater in Burghöfen erinnern mag: die Theatertruppe kommt und hat aus einer bekannten Oper einen kurzweiligen, munteren Abend geschustert! Die ganze Burg ist mit von der Partie und freut sich auf seichte Unterhaltung. Sie alle haben sich der Kunst verschrieben! So könnte der Abend umschrieben werden. Die Abstände auf der Bühne werden eingehalten, indem, statt eines Stückes mit Filmsequenzen, eine Schnittcollage aus Filmclips mit eingeschobenen Sketchen gezeigt wird. So schafft es Kastner auch, alle Interessen für die Produktion mit einzubringen. Auch wenn die Rollen noch so klein sind, fällt doch für jede*n der 16 Mitwirkenden ein kurzes Textstück ab, welches die Künstler dann auch stets mit Bravour meistern!

© Michaek Klinksik

Die Geschichte um „Carmen Sedlmayr“ widmet sich indes dem jungen Norbert (Isabel Kott), der nach der Ausbildung in die Stadt München zieht und zwar zu eben jener Carmen (Inge Rassaerts), die von ihrer längst vergangenen Opernkarriere schwärmt. In den Filmsequenzen wird das Publikum mit auf Norberts Reise außerhalb des Sedlmayrschen Wohnzimmers genommen. Da geht es zur Wohnungseigentümern (Susanne Schröder), die in einem Anflug sexuellen Erwachens gemeinsam mit der Tochter (Lena Sammüller) Norbert zu Leibe rückt. Das Stelldichein dreier Darstellerinnen, wobei zwei der Dritten an ausgestopften Bauch und Boxershort gehen, ist an Fremdscham der Höhepunkt des Abends. Dramaturgisch erscheint das etwas schwierig. Es scheint, als hätte Kastner schlicht ganze 16 Figuren in eine willkürliche Handlung gepackt, um diese dann mit dem Namen einer Oper zu versehen, die tatsächlich in Staats- und Stadttheatern gespielt wird. Das funktioniert im freundschaftlichen Rahmen des Hauses, weil man die Mitwirkenden kennt oder selbst dazu zählt – aber auch außerhalb?

Das Konzept Hofspielhaus ist also eine WinWin-Situation: ein Freiraum, um sich auszuprobieren, und ein netter Anlass für Freunde und Bekannte, sich mal wieder zu treffen. Dennoch: schauspielerisch bleibt gut Luft nach oben. Etwas fraglich ist die Rolle von Sepp Schmid. Schließlich überraschte er als Büstenhalter, jener für die Handlung obsoleten Figur, die für Geld Frauen die Brüste hält. Doch auch alle Darstellerinnen, die im Stück zu seinen Kundinnen werden (Inge Rassaerts, Julia Loibl, Susanne Schroeder, Paula Brammer, Bhale Maas), haben mit dem Drehen dieser Szene sicher eine ganz besonders aufregende Erfahrung in der Vita ihrer Schauspielerei gemacht. Schließlich braucht es schon Mut, sich so in einem Stück zu zeigen, das mitten in München aufgeführt wird! Und genau das möchte das Hofspielhaus. Freiheit für die Kunst, Selbstverwirklichung, die Leidenschaft der Menschen am Theaterspielen wecken!

Kritik: Jana Taendler