Sobald Barbara Horvath die Spielfläche im Marstallcafé des Residenztheaters betritt, geht er in medias res los. Der Wortschwall, der in der kommenden Stunde mal schneller, mal lauter, dann zögernd und flüsternd, aber nie abebben wird. Der Text von Abfall, Bergland, Cäsar – eine Menschensammlung hangelt sich alphabetisch an verschiedenen Schicksalen entlang, die als Beispiel A, Beispiel B usw. an den Zuschauer*innen vorbeiziehen. Zuschauen können an diesem 28. Juni im Marstallcafé nur etwa 20 Menschen, mit Maske und Abstand natürlich. Umso intensiver ist die entstehende Stimmung. Prägend in diesem Text, den Werner Schwab zum Ende eines sehr intensiven Schaffensprozesses verfasste, ist die für den Autor typische Sprache. Geprägt von Neologismen, von Kraftausdrücken und immer wieder von Fäkalien.
Was sind das für Leute, über die Schwab durch Horvath spricht? Es sind gescheiterte Existenzen, verkommene Persönlichkeiten. So lauscht man, wie Beispiel C bei einem Ausflug ins Gebirge in einer Jauchengrube verendet, wie Beispiel F, Autor für ein Boulevardblatt, sich vom Kirchturm stürzt, wie ein hinterwäldlerischer Bauer sich, wie gewohnt, an einer seiner Ziegen vergeht…
Mitunter bringt der Text zum Schmunzeln, meistens aber nicht. Das liegt daran, dass Horvath das Publikum so in ihren Bann zieht, dass man die Schicksale, von denen lediglich gesprochen wird, die nicht einmal gespielt werden, vor dem inneren Auge sieht. Und diese Schicksale sind wenig zum Schmunzeln. Immer wieder beeindruckt Schwabs Text durch die ihm eigene Sprache jedoch auch. Sehr poetisch kommen Gegensätze wie ’schönheitliche Kunst und freiheitliche Welt‘ daher. Dass der Text so im Vordergrund stehen kann, die Formulierungen nachhallen können, verdankt der Abend der Zurückhaltung Barbara Horvaths. Unter der künstlerischen Leitung von Katrin Hammerl wurde das Maximale aus diesem Monolog herausgeholt. Bemerkenswert ist, dass Horvath zwar zu jedem Zeitpunkt die Spannung hält, man sich bei der Erarbeitung des Textes aber nicht dazu hat hinreißen lassen, möglichst extrem, möglichst performativ zu werden, um den Worten Ausdruck zu verleihen. Diesen Ausdruck haben sie schon von allein.
Auch Bühnenbild, Kostüm und Licht sind in passender Zurückhaltung gestaltet. Ein Tisch, zwei Stühle, auf keinem der beiden die Darstellerin jedoch je zum Sitzen kommt. Ein Outfit aus weiter, schwarzer Seidenhose und passender Bluse, dass sich zum Ende des Stückes in rote Leggins und Nachthemd umwandelt. Der Text ist sehr gut inszeniert. Wer den Text mag, wird die Inszenierung noch mehr mögen. Ob mit diesem Text auch ein Publikum von 200 Menschen pro Abend zu erreichen ist, darf offen bleiben – es gilt ja ohnehin nur 20 Stühle zu besetzen.
Abfall, Bergland, Cäsar – eine Menschensammlung ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie am Theater ein Text durch das Spiel verstärkt, aber nicht verändert, neu interpretiert oder zerzaust wird. Keine Performance, kein interaktives Tanzprojekt, kein bildgewaltiges Drehbühnenspektakel. Eine sehr begabte Schauspielerin und ihr Text. Das ist Sprechtheater. Die Inszenierung dient dem Text.
Kritik: Jana Taendler