Blick in die Zukunft – Marathonmann im Backstage Werk (Bericht)

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Beinahe wie ein Deja-Vu fühlt sich dieser Sommer mit der Wiedereröffnung der Kulturstätten in München an. Und genau wie nach dem ersten Lockdown ist Marathonmann mit ihren „Alles auf Null“-Akustiksessions an vorderster Front am 1. Juli 2021 im Backstage München dabei. Man könnte fast meinen, sie haben sich „no retreat and no surrender“ tätowiert…

Zunächst jedoch war um 20 Uhr das äußerst sympathische Singer/Songwriter-Duo Raum 27 aus Bremen an der Reihe. Während die minimalistisch-akustische Performance der Beiden zu einer regulären Marathonmann-Show ungefähr so gut passen würde wie After-Eight-Eis auf Salami-Pizza, ist der Konsens der beiden Bands in diesem Format eher Cola küsst Orange. Mit der unglaublichen Stimme des Sängers Tristan und der Vielseitigkeit des Instrumentalisten Mathis sowie einem latenten Entertainment-Powerhouse macht Raum 27 einen großartigen Eindruck auf das halb-gefüllte Backstage Werk. Wenn sowohl nachdenkliche als auch funky-tanzbare Songs mit so viel Liebe präsentiert werden, standen da vermeintlich die nächsten Tim Bendzkos auf der Bühne. Chapeau!

Pünktlich wie letztes Jahr der Beifall in der Öffentlichkeit für die Pflegekräfte (von dem sich leider niemand etwas kaufen konnte), starten Marathonmann um 21 Uhr mit „Wir sind immer noch hier“. Im Vergleich zum letztjährigen Programm, welches im April als Platte erschienen ist („Alles auf Null“), haben sich ein paar Details geändert: Ein extra Kontrabass für zusätzlichen musikalischen Raum, ein paar neue Songs („Onkalo“, „Neumondnacht“ und „Dein ist mein ganzes Herz“), Gastmusikerin Babsi bei „Wo ein Versprechen noch was wert ist“ und eine abgeänderte Reihenfolge der Songs. Nach einer so langen Zeit ohne Konzerte, Kultur, Freizeitgestaltung und, tatsächlich einfach mal Leute treffen, war dieses Konzert wie der zweite Frühling der Szechuan McNugget-Soße von McDonalds im Jahre 2017.

Vieles blieb allerdings sehr ähnlich: Tolle Sound- und Lichtgestaltung, hochwertige akustische Umsetzung der Songs, „ganz ganz großes Kino“ [Zitat Jakob Preißler], riesen Entertainment-Value, unglaublichen Bock auf Performance und eine wahnsinnige Energie, die ihresgleichen sucht. Der Sänger meinte während der Show, dass hoffentlich doch niemand schreiben würde, Michi hätte zu viel geredet. Und klar, ausgedehnte Ansagen, Statements, Publikumsinterkation und Witzeleien mögen in der Masse vielleicht nicht allen gefallen haben. Aber in dem Gesamtpaket hat diese Backmischung genau das Brötchen ergeben, in welchem die Songs der Band den besten Burger der Stadt an diesem Abend kredenzen. Aber fürs Protokoll: Michi hat zu viel geredet. Gerne mehr davon.

Setlist: Wir sind immer noch hier/ Flashback / Nie genug / Hinter den Spiegeln / Onkalo / 22 Meter Sicherheitsabstand / Wo ein Versprechen noch was wert ist / Die Bahn / Neumondnacht / Blick in die Zukunft / Holzschwert / Am Ende Nichts / Dein ist mein ganzes Herz / Die Stadt gehört den Besten

Bericht: Jakob Preißler