Es ist nur ein Auswärtsspiel für Die Toten Hosen, aber für München erst das dritte Stadion-Konzert nach einer langen Corona-Pause. Was die Stones und erst zwei Tage zuvor Die Ärzte warmgespielt haben, gilt es nun für die Hosen ebenso zu erobern und die Menge mitzureißen: das Münchner Olympiastadion. Die derzeit größte Open Air-Location der bayerischen Landeshauptstadt hat schon allerlei riesige Acts für die Münchner bereitgestellt, auch die Hosen haben bei Rock im Park, als es noch dort stattgefunden hat, ihre Melodien zum Besten gegeben. Nun aber erstmals solo im Ex-Fußball-Stadion, pünktlich zur 40 Jahre Jubiläumstournee. Mit im Gepäck: Feine Sahne Fischfilet & Donots.
Erstmals das Flutlicht angemacht wird gegen 18:15 Uhr, als Vom, seines Zeichens Drummer der Hosen, die erste Band des Abends ankündigt: Donots. Die stürmen auch sogleich mit „Calling“ die Bühne und verbreiten vor allem in den vorderen, bereits gut gefüllten Stehbereichen mächtig Laune. Das relativiert sich etwas im Laufe des Auftritts, denn offensichtlich haben die Band-Mitglieder mehr Lust auf Kommunikation als Spiel – gerade einmal sieben recht kurze Songs finden in knapp 45 Minuten Platz, der Rest sind extrem lange und leider auch reichlich gehaltlose Ansagen. Das mag bei eigenen Shows sicher super kommen, als Support-Act, auch noch als Opener des Abends, allerdings etwas fehl am Platz. Dennoch unterhalten ihre Rock-Nummern die Menge äußerst gut und heizen zumindest zeitweise den Münchner solide ein. Wake The Dogs!
Setlist: Calling / Wake The Dogs / Dead Man Walking / Stop The Clocks / Problem kein Problem / We’re Not Gonna Take It (Twisted Sisters cover) / So Long
Aufgrund der aktuellen Kontroverse um Feine Sahne Fischfilet-Sänger Jan Gorkow und den damit zusammenhängenden, offensichtlich noch ungeklärten Umständen verzichten wir an dieser Stelle auf eine Berichterstattung von Feine Sahne Fischfilet.
In der Zwischenzeit hat sich das Olympiastadion mächtig gefüllt, vor allem der Stehbereich glänzt mit äußerst prall gedrängten Bereichen. Besonders die Dominanz von schwarzen und, wieso auch immer, weißen T-Shirts fällt vom beobachtenden Blick auf den Sitzrängen auf; in den bestuhlten Bereichen wiederum finden sich unzählige Familien, ältere Semester oder einfach bequemere Münchner, die sich aber doch zum Intro-Startschuss um 20:45 Uhr erheben. Die Besetzung wird als Cowboy-Heroen bildlich humorvoll, aber auch musikalisch hochtrabend angekündigt, bevor Die Toten Hosen dann endlich die Bühne stürmen und sofort in lautstarkem Jubel baden. Die Lautstärke nehmen sie sich zu Herzen, denn insbesondere die ersten Nummern sind ein Sammelsurium an oft schnellen und mitreißenden Nummern: „Alle sagen das“, „Auswärtsspiel“, „Liebeslied“, „Bonnie & Clyde“. Der Moshpit tobt, die Ränge singen – gelungener Einstieg.
Was macht man also als eine Band, die 40 Jahre auf den Buckel hat? Man spielt ein Best-Of und wirft einige Perlen zusätzlich in die Setlist. Das Best-Of gestaltet sich aber vor allem bei den Hosen gar nicht so einfach, denn sie dürften wohl über die Jahre so viele Hits angesammelt haben, dass es schier unmöglich ist, allen Liedern gerecht zu werden. Auch über die Generationen hinweg ist es ihnen gelungen, aktuell relevant zu bleiben – sei es in den 80ern mit „Hier kommt Alex“, in den 90ern mit den Alben „Kauf Mich“ und „Opium fürs Volk“ oder erst 2012 mit ihrem Überhit „Tage Wie diese“, der eine neue Renaissance einläutete. Campino, Kuddel, Andi, Breiti und Vom halten sich zum Glück konditional wunderbar, sodass sie die neue Zugkraft, die Stadien füllt, absolut würdig ausfüllen können. Auch bei der jetzigen Tour, dass die ersten Konzerte seit ihrer Radio-Promo-Tour zum Akustik-Album im Herbst 2019 markiert, präsentieren sich alle in Bestform – spielerisch als auch gesanglich stehen sie den vergangenen Konzerten in nichts nach. Auch wenn Campino im Zugabenblock etwas wehmütig letztmals „Wort zum Sonntag“ in der Originalfassung spielt. Kommende Woche hat er die 60 Jahre nämlich offiziell erreicht.
Die Bandbreite ist riesig und so hören die Münchner mit „Eisgekühlter Bommerlunder“ Songs aus der absoluten Anfangszeit, aber auch mit „Amore Felice“ und „112“ brandneue Ergüsse, die auf der aktuellen Best-Of-Platte zu finden sind. Natürlich fehlen viele Stücke, aber die Spielzeit ist begrenzt, um 23 Uhr ist Schluss – die Zeit bis dahin, insgesamt rund 130 Minuten, werden bis zur letzten Minute genutzt. Eine spontane Rückkehr nach dem Rausschmeißer „You’ll Never Walk Alone“ bleibt aus, die Sperrstunde ist gnadenlos – ein Privileg bei Hallenkonzerten, dass es danach noch einen Raritäten-Block geben kann. Doch auch so scheint das buntgemischte Publikum zufriedengestellt – die einen mit Radio-Hits wie „Wannsee“ und „Tage wie diese“, die anderen mit Punk-Klassikern wie „1000 gute Gründe“ und „Pushed Again“. Der Spagat zwischen Punk und Pop ist gelungen, auch im 40. Bandjahr. Doch auch wenn die Hymnen überraschend gut als Stadion-Rock funktionieren, haben Die Toten Hosen doch in Hallen-Arenen oder gar in kleineren Clubs immer noch die deutlich bessere Wirkung. Vielleicht werden wir da aber auch niemals einer Meinung sein.
Setlist: Alle sagen das / Auswärtsspiel / Altes Fieber / Paradies / Bonnie & Clyde / Liebeslied / 112 / Laune der Natur / Das ist der Moment / Kamikaze / Du lebst nur einmal (vorher) / 1000 gute Gründe / Amore Felice / Wannsee / Unter den Wolken / Draußen vor der Tür / Steh auf, wenn du am Boden bist / Pushed Again / Alles aus Liebe / Wünsch dir was / Hier kommt Alex – Zugaben 1: Alles passiert / Zehn kleine Jägermeister / Bayern / Wort zum Sonntag / Schönen Gruß, auf Wiedersehen – Zugaben 2: Tage wie diese / Eisgekühlter Bommerlunder / Freunde / You’ll Never Walk Alone (Rodgers & Hammerstein cover)
Bericht: Ludwig Stadler