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Die Entfesselung der Lebenslüge – „Ein wenig Farbe“ im Hofspielhaus (Kritik)
Die Perlen verstecken sich oft, man muss sie lange suchen – und hat man sie gefunden, sind sie zumeist immer noch im Besitz einer Muschel. In jedem Fall ist es ein langer Weg, bis man zu dieser Perle gelangt. So ist es derzeit auch mit den Spielplänen der Theater: man plant, werkelt, arbeitet zu etwas hin, dann klappt es aus pandemischen Gründen doch nicht und der Weg bis zur Aufführung verschiebt sich ins Endlose. Doch in allem dem entstehen oft spontane und schöne Ideen. Christiane Brammer, Intendantin im Hofspielhaus, hat so im Lockdown die Aufzeichnung der Uraufführung des Ein-Personen-Musicals „Ein wenig Farbe“ gesehen – ein feinfühliges Werk über Transgender-Personen, damals…
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Eine inszenatorische Übung – „Liebe/ Eine argumentative Übung“ in den Kammerspielen (Kritik)
Mit der neuen Intendanz gibt es in den Münchner Kammerspielen noch mehr Performance, noch mehr Tanztheater als schon unter Lilienthal. Damit kommt auch „Liebe/ Eine argumentative Übung“ daher. Die Inszenierung beginnt mit der Eindrucksflut aus Text, der in einem Textband über der Kulisse abläuft, einem Soundeinspieler in englischer Sprache und Johanna Eiworth, die mit der Performance aus Bewegungsabläufen beginnt, die sich für den Großteil des Abends fortsetzen wird. Eine Geschichte über Popeye und seine Freundin Olivia wird im Text verarbeitet, sie hätten sich im Deutschkurs kennen gelernt, sie hielt sich für zu knochig für ihn und für zu alt. Zu diesem Text vollführt Eiworth ihre Bewegungen. Dehnungen, Sprünge, Schritte, Drehungen. Schon…
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Offener Brief der Bayerischen Intendant*innen an Markus Söder
Wir schließen uns dem offenen Brief der Intendant*innen der münchnerischen und bayerischen Bühnen in vollstem Maße an. In kulturellen Institutionen mit Hygienekonzepten bestens absolut kein Infektionsrisiko. Diese zu maßregeln wäre falsch und ein noch größeres finanzielles Chaos als sowieso bereits in der Veranstaltungsbranche vorhanden.
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Nothing But Thieves – mit neuem Album „Moral Panic“ am 2. April 2022 in München
Vor einigen Jahren noch Geheimtipp, dann schnell wachsendes Phänomen, mittlerweile ein nicht mehr wegzudenkender Indie-Rock-Garant: Nothing But Thieves. Die Briten haben im Laufe der Zeit immer mehr ihren Stil zwischen wuchtigen Rock-Refrains und soundverspielten Indie-Klängen ausgelotet, dabei aber nie ihre eingängigen Refrains und die wandelbare Stimme von Frontmann Conor Mason verloren. Am heutigen Tag, 23. Oktober, erscheint nun ihr mittlerweile drittes Studio-Album „Moral Panic“. Wir haben für euch reingehört. Sanft, aber sich steigernd und dann mit reichlich orchestralem Einsatz beginnt das Album mit „Before We Drift Away“. Auch „Free If We Want“ hinterlässt den Eindruck, dass man die Grenzen der ruhigen Klänge ausloten und sie im Kontrast mit der vollen…
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„Selbstporträt mit Ahnen“ – „Herkunft“ im Volkstheater (Kritik)
Woher kommst du? Eine Frage, so unkompliziert wie auch aufwendig zu beantworten. Für unsereins mag die Antwort aus einem einzigen Wort bestehen und damit auch genügen, doch müssen wir uns bewusst machen, dass dies ein Privileg unserer Gesellschaft ist. Der Autor Saša Stanišić zum Beispiel wurde in Jugoslawien geboren, einem Land, das heute so nicht mehr existiert. In seinem Roman Herkunft beschäftigt sich der mittlerweile 42-jährige mit Erinnerungen aus seiner Jugend so wie der jüngsten Vergangenheit und versucht so, der Frage nach seiner eigenen Herkunft auf den Grund zu gehen. Das gleichnamige Theaterstück unter der Regie von Felix Hafner feierte am 22. Oktober 2020 Premiere im Münchner Volkstheater. Stanišić stammt aus Višegrad an der Drina, einer Stadt, die…
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Rea Garvey – Riesenrad-Konzert beim Bayern 3 Liveclub
Konzerte in der Corona-Zeit? Mangelware. Konzerte mit großen Stars? Nicht vorhanden. Umso erfreulicher, dass sich genau da ein kleiner Lichtblick auftut, denn: Rea Garvey stattet München einen Besuch ab! Der Bayern 3 Liveclub holt den sympathischen Iren in die Landeshauptstadt und bietet ihm ganz coronakonform eine Bühne – nämlich am Riesenrad. Im „Umadum“ im Werksviertel Mitte nehmen die Gäste in den Gondeln Platz, drehen ihre Runden, sehen abwechselnd Garvey beim Konzert, der auf einer extra errichteten Bühne spielt, und einen Ausblick auf die Skyline der Stadt. Der Ton wird natürlich mit sattem Sound übertragen. Zu hören gibt es nicht nur die Hits und den vielleicht einen oder anderen Reamonn-Song –…
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Tardigrada – The Hirsch Effekt im Backstage (Bericht)
Was passiert, wenn man einen die Power einer Bohrmaschine, das Licht eines Stroboskops und die Kreativität von Salvador Dalí nimmt, in ein Kaleidoskop presst, danach das Teil auf Hochgeschwindigkeit dreht und durchschaut? Keine Ahnung? Dann war man noch nie bei The Hirsch Effekt. Glücklicherweise sind die Hannoveraner doch öfter mal in der Landeshauptstadt – so auch am 17. Oktober 2020 zum Finale ihrer „Besser Als Nichts“-Tour im Backstage Werk München. Dass hier nicht nur der Bass ficken muss, zeigt allein schon das nicht ausgesprochene, aber klar erkennbare „Ciao Kakao!“ an alle Epileptiker im Publikum, bevor die Show überhaupt losgeht. Wie viel die Lichttechnik der Band aus den überschaubaren Elementen kratzt, verdient…
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Theater – der November 2020 in München (Überblick)
Theaterübersicht für den Monat November 2020! Residenztheater Premieren: – Mehr schwarz als lila (Marstall), 7.11. (11./12./17./18./28.11) – Der Kreis um die Sonne, 14.11. (21.11) – Gott, 20.11.. Reguläres Programm u.a.: – Leonce und Lena, 1./26.11 – Der Preis des Menschen, 2./13./15./21./27.11. – Dantons Tod, 7./8.11. – Amphitryon, 6./27.11. TICKETS FÜR DAS RESIDENZTHEATER hier. Gärtnerplatztheater Premieren/Spielzeitpremieren: – Tosca, 15./18.11./22.11. – Hänsel und Gretel, 21./29.11. – Anna Bolena, 26.11. (28.11.) Reguläres Programm u.a.: – Rigoletto, 4./8.3. – Salome Tanz, 1./3./6./12./13.3. – Tosca, 11./14./20.3. TICKETS FÜR DAS GÄRTNERPLATZTHEATER hier. Münchner Kammerspiele Premieren: – Die Politiker (Schauspielhaus), 5.11. (7./9./15.11) Reguläres Programm u.a.: – Eine Jugend in Deutschland (Schauspielhaus), 6./8.11. – Liebe. Eine argumentative Übung…
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Hoppla, wir leben! – „Eine Jugend in Deutschland“ in den Kammerspielen (Kritik)
Die Zerschlagung der Monarchie in Bayern nach den Grauen des 1. Weltkriegs, die Versammlung von 50.000 Menschen auf der Theresienwiese zur Ausarbeitung demokratischer Rechte und das Ausrufen des Freistaat Bayerns – Jan-Christoph Gockel inszeniert in „Eine Jugend in Deutschland“ ein Stück Münchner Zeitgeschichte und feiert damit am 16. Oktober 2020 Premiere im Schauspielhaus der Münchner Kammerspiele. „Nach dem Roman von Ernst Toller“ heißt es im Programm, aber das Stück ist vielmehr ein Konglomerat von Tollers Gesamtwerk. „Wir versuchen diesen ganzen Autor zu fassen, der sich permanent weigert ein Ganzes zu sein“, sagt Gockel in einem Podcast, der vor der Premiere erschien. Über Tollers autobiografisches Buch hinaus werden das Hoffen und Scheitern…
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Dann wird es still sein – „Der Preis des Menschen“ im Marstall (Kritik)
Lange dauert „Der Preis des Menschen“ im Marstall des Residenztheaters nicht, gerade einmal 70 Minuten. Dass das Werk auf die Bühne kommt, ist da schon ein deutlich längerer Prozess, denn eigentlich war es für den April angedacht. April – Lockdown, alles stillgelegt, vergessen wir das schnell. Nun gilt es zwar, neu zu inszenieren und umzudenken, aber daran soll es wahrlich nicht scheitern und daher fand die Premiere am 11. Oktober 2020 doch noch statt. Spannend wird es schon beim Text, denn dieser stammt von Thiemo Strutzenberger, seines Zeichens Ensemble-Mitglied im Residenztheater – im Schauspiel. Auch das zeichnet Andreas Beck als Intendanten aus; er bietet seinen Künstlern die Möglichkeit, sich auszutesten…