Was passiert, wenn die Sprösslinge bekannter Musiker eine Band gründen? Meist wenden sie sich besonders deutlich vom Sound des Elternteils ab – und sind besonders nah daran. Bei Vended hat man sich wohl für letzteres entschieden, denn die Amerikaner klingen wie eine rohe, ungeschliffene Version von Slipknot. Damit konnten sie bereits vergangenes Jahr auf ersten europäischen Festivals begeistern, nun kehren sie für Festivals und einige Headline-Daten zurück nach Europa. Startschuss und zugleich erste eigene Show auf deutschem Boden ist der 6. Juni 2023 in der Backstage Halle. Ganz allein sind sie aber nicht, sie bekommen lautstarke Unterstützung von Lost Society und Chaosbay.
Diese sind es auch, die kurz vor 20 Uhr alsgleich starten und ihren cleanlastigen Alternative Metal auf die Münchner loslassen. Chaosbay kommen aus Berlin und waren erst vor kurzem im Club zu sehen, nun dürfen sie die Halle bespielen und sind zudem auch auf weiteren Vended-Shows als Support mit dabei. Sauberes Songwriting und starke Refrains wissen schnell zu begeistern, auch wenn das Gesamt-Soundbild doch etwas leise ist, gerade für die treibende Art von Musik. Als Opener für einen metallischen Abend sind sie in jedem Fall eine wunderbare Wahl und werden nach einer halben Stunde zurecht laut jubelnd entlassen.
Offensichtlich hat man die derzeit laufende Lost Society-Headliner-Tour und die Show von Vended hier zusammengelegt, denn ein nicht zu vernachlässigender Teil ist nur für die Finnen angereist und wartet vor allem auf deren Konzert. Bereits mit dem ersten Song „112“ gehen Lost Society auch gleich aufs Ganze, glänzen mit knallhartem Sound, satten Gitarren und Sänger Samy Elbanna, der nicht nur allerfeinste Shouts und Screams beherrscht, sondern auch absolut tonsicher im Clean-Gesang unterwegs ist. Erst zum Ende wird ein etwas ruhigerer Song eingestreut, ansonsten kennt die Band nur eine Richtung: vorwärts, und zwar so richtig! Die Songs ihres aktuellen Albums „If The Sky Came Down“ ordnen sich im Metalcore-Bereich ein, doch die älteren Werke, die in dem rund 40-minütigen Auftritt überraschend prominent platziert sind, klingen wie feinster und kompromissloser Thrash Metal. Also egal, ob modernere Sounds wie bei „Awake“ oder Thrash-Geknüppel wie „Kill (Those Who Oppose Me)“ – der Auftritt überzeugt auf voller Linie und endet mit „Stitches“ deutlich zu früh.
Setlist: 112 / Underneath / Riot / Awake / Kill (Those Who Oppose Me / N.W.L / Into Eternity / No Absolution / Stitches
Vended können es wohl gar nicht abwarten, auf die Bühne zu stürmen, weshalb der Auftritt bereits um 21:55 Uhr startet und mit „Ded To Me“ gleich die Fronten klärt: kontrolliertes Chaos mit knallharten Riffs. Der Fokus liegt nicht nur optisch, sondern auch klanglich bei vor allem zwei Personen: Griffin Taylor am Mikro und Simon Crahan am Schlagzeug. Sie sind auch die beiden Kinder der Köpfe hinter Slipknot und letztendlich auch der Grund, wieso sie so schnell bereits so groß spielen – und das am anderen Ende des Planeten ihres Heimatorts. Das ist auch alles andere als verwerflich, denn wieso sollte man die Möglichkeiten nicht nutzen, aber die Band, und das muss ganz deutlich betont werden, ruht sich darauf nicht aus und begeistert ganz eigenständig. Ihre Musik ist zwar dem elterlichen Vorbild sehr ähnlich, aber dennoch auch eigenständig sehr stark und absolut live-tauglich. Taylor grunzt bereits wie ein Großer im Mikrofon und klingt seinem Vater extrem ähnlich, Crahan knüppelt sich fleißig durch die Nummern und die Saiten-Fraktion ist zwar leider zu leise eingestellt, leistet aber solide Arbeit, wenngleich die Songs nicht allzu kompliziert sind. Die Wucht entsteht im Zusammenspiel, in der Präsentation. Umso bedauerlicher, dass es nah gerade einmal 40 Minuten wieder vorbei ist. Zwar müssen am Tag drauf um 13 Uhr auf dem Nova Rock Festival spielen, aber ein paar Lieder mehr, gerade als Headliner, hätten doch niemandem geschadet, oder? So trägt Lost Society den Preis des stärksten Auftritts davon, wenngleich alle drei Bands zweifelsohne abgeliefert haben.
Setlist: Ded To Me / Am I The Only One / Overall / Burn My Misery / Bloodline / My Wrongs / The Farside / Antibody / Asylum
Bericht: Ludwig Stadler
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